Ein spannendes Thema mit scheinbar wachsendem Anklang, wo man wirklich tief reingehen und auch darüber nachdenken kann, warum solche Bewegungen derzeit so in der Beliebtheit steigen (oder zumindest sichtbarer werden). Ich sehe Frugalismus da vor allem tendenziell in Verbindung mit minimalistischen Lebenseinstellungen, auch wenn ich persönlich einen doch starken Unterschied darin sehe, dass ich entgegen dem Minimalismus im Frugalismus tendenziell doch eher ein Gefühl von Einschränkung verspüre.
Im Studium habe ich mich zum ersten Mal für finanzielle Bildung interessiert, vielleicht vor allem deshalb, da man als StudentIn für gewöhnlich unter die Gruppe der Armen fällt und nicht viel Geld zur Verfügung hat. Ich habe den Kanal Finanzfluss entdeckt (den ich ebenso wie du sehr empfehlen kann) und muss wirklich eines sagen - Ich habe mir die Welt der Finanzen immer unglaublich verworren und kompliziert vorgestellt. Das ist sie mitunter auch, aber mir war nie klar, dass auch schon geringer und einfacher Input ausreichen kann, um die "gröbsten" Bildungslücken im Finanzbereich angehen zu können. Und wahnsinnig interessant ist das Ganze auch noch. So habe ich seiner Zeit nach dem Schauen von ein paar 5-10-minütigen Videos und dem Lesen von etwa 50 Seiten "Börsenüberblick für Anfänger" mit einer 25€ Sparrate begonnen, Geld in ETFs zu investieren, weil ich nicht länger meine Finanzen "verschlafen" wollte - und bin heute der Auffassung, dass das noch viel zu spät war. Wie sehr ich es mir im Nachhinein wünsche, hätte ich doch schon als Jugendlicher mal finanzielle Bildung erfahren oder auch nur irgendwelche Berührunspunkte mit der Finanzwelt gehabt. Die Börse war für mich irgendein abstraktes Konstrukt, das ich am ehesten einem Casino gleichgesetzt hätte; einfach aufgrund fehlender Bildung in dem Bereich und des eher negativen Inputs meines Umfelds, ohne selbst jemals Erfahrungen gemacht zu haben. Heute bin ich klar der Auffassung, wer nicht an den "Vorzügen des Kapitalismus" mitprofitiert, versäumt Chancen und verlässt sich zu sehr auf eine möglicherweise wackelige staatliche Versorgung im Alter, es sei denn man verdient überdurchschnittlich gut, ist sowieso schon rich oder genießt andere diverse Sicherheiten, etwa eine Verbeamtung, ein lukratives Erbe, etc.
Aber um dann mal zum Frugalismus zu kommen: Mit meinen hoch angesetzten Sparvorhaben blieb nun nicht mehr allzu viel Geld übrig, und was macht man da so als Student... man liest sich in den Frugalismus ein Ich muss gestehen, dass ich mich hiermit nicht annähernd so intensiv wie mit allgemeiner finanzieller Bildung befasst habe, also erwische ich das Thema möglicherweise auf dem falschen Fuß. Doch Frugalismus habe ich nun tatsächlich eher mit einem Hang zum "Extrem" abgespeichert. Man darf mich hier aber gerne korrigieren. So habe ich nach diversem Input versucht, meine magere Sparrate zu erhöhen, indem ich an anderer Stelle einspare und verzichte. Ich denke da an Videos wie "für 50€ im Monat essen" - was ich so etwa 2 Monate lang umgesetzt habe, bis ich eingeknickt bin. In der Theorie funktioniert das eiserne Sparen meiner Ansicht nach durchaus, doch irgendwo kommt hier auch einfach die Typfrage hinzu. So habe ich einfach festgestellt, dass ich unglücklich wurde, wenn ich plötzlich zu "geizig" wurde, mit Freunden mal essen oder ins Kino zu gehen - weil Haferflocken und eine BluRay daheim zu schauen, stets günstiger waren und somit mehr Geld für's Anlegen übrig bleiben würde. Da habe ich für mich entschieden: Rente mit 35 gibt's für mich nicht Zu stark war mein Eindruck, gerade in jungen Jahren durch eisernes Sparen zu viel Lebensqualität einzubüßen. Schließlich will man mitunter, gerade wenn man jung ist, auch irgendwo Dinge unternehmen und erleben, solange man noch keine gesundheitlichen "Wehwehchen" hat, die einen im Alter möglicherweise an dem ein oder anderen Spektakel hindern, ganz egal wie viel Geld man dann haben sollte. So ansprechend ich den Gedanken einer frühzeitigen Rente finde, was ja das erklärte Ziel des Frugalismus ist, und so groß der Leidensdruck durch die Arbeitswelt oder Enttäuschungen darin sein mögen, versuche ich mir da heute nicht mehr allzu viel Stress zu machen. Ich gönne mir zu gerne was, gehe viel zu gerne auswärts essen, muss lange Strecken mit dem Auto zurücklegen, und kann mir nichts Schöneres als das Reisen vorstellen - mitunter teure Angelegenheiten, die mit einem frugalistischen Motiv nicht mehr gut vereinbar sind. So habe ich mittlerweile ein steigendes Einkommen zum Ziel um dennoch die persönlichen finanziellen Ziele zu erreichen, aber nicht mehr einen steigenden Verzicht. Und bei dem Ziel hilft heutzutage ein wenig finanzielles Grundwissen einfach mehr als ein Sparbuch - aber das ist wohl kein Geheimnis mehr
ZitatIch mag den Austausch und sehe, dass die bisher erfolgte Recherche mir eine völlig neue Perspektive auf Möglichkeiten gegeben hat, welche fast jedem zur Verfügung stehen. Diese möchte ich gerne bekannter machen, da Finanzen meist als Thema eher "unsexy" sind bzw. in Deutschland der Glaubenssatz vorherrscht: "Über Geld spricht man nicht!".
Ich glaube, dass wir uns dahingehend derzeit in einem Umbruch befinden und immer mehr (junge) Menschen sich intensiv mit Finanzen auseinanderzusetzen beginnen, vor allem aufgrund der einfachen Verfügbarkeit des Wissens im Internet. Du hast aber vollkommen recht. Ich glaube, nicht wenige von uns fühlen von Kleinauf den Spruch "Über Geld spricht man nicht!" in sich, mich eingeschlossen. Ich bin tatsächlich so groß geworden, weiß bspw. bis heute nicht, was etwa meine Familienangehörigen verdienen. So war ich zunächst immer etwas perplex, wenn andernorts ganz offen über Geld gesprochen wurde (habe ich im Übrigen am intensivsten im Ausland gespürt, weniger in Deutschland). Erst durch den Beginn der Auseinandersetzung mit finanziellen Themen ist mir allmählich bewusst geworden, dass Finanzen ganz und gar kein uncooles Thema oder gar ein Tabuthema sind - im Gegenteil. Es kann nicht schaden, offen über Finanzen zu sprechen, um sich auch mal vergleichen zu können (verdiene ich gerecht?), Anlagemöglichkeiten kennenzulernen, sonstwie wertvollen Input zu erhalten oder Erfahrungen an der Börse auszutauschen. Nicht wenige Menschen stehen so durch ein glückliches Händchen (oder einfach den richtigen Verstand) mittlerweile gut im Leben - haben sich mit ETFs, Aktien, Kryptowährungen, Investieren in Krisen und Corona, etc., befasst und diverse Sicherheiten aufbauen können. Auch (oder gerade!) wenn die Politik gerne mal der Buhmann für den eigenen ausbleibenden Wohlstand ist, ist es doch umso wichtiger, sofern man Zugang zu finanzieller Bildung hat, diese zu nutzen und seines eigenen Glückes Schmied zu werden. Das sehe ich also ganz ähnlich wie du.
So, das wurde jetzt ein bisschen viel. Sorry dafür, aber Finanzen sind halt spannend! Wer das alles gelesen hat, muss jetzt bitte auch mitdiskutieren : D