Die Qualität von Geschichten

  • Manchmal frage ich mich, warum wir alles so gerne bewerten, warum wir interne Ranglisten erstellen, in denen wir Geschichten nach ihrer Qualität anordnen, und vor allem, warum wir diese Ranglisten so gerne mit denen anderer vergleichen. Eigentlich müsste ich doch, spätestens wenn mir bewusst wird, wie schnell ein sinnloser Streit wegen unterschiedlicher Geschmäcker ausbricht, die Reißleine ziehen und in aller Gemütlichkeit jede andere Meinung akzeptieren. Und trotzdem ist es so verlockend, sich über sie aufzuregen und gegen sie anzukämpfen. Oft sogar im Glauben, es am Ende besser als die anderen zu wissen.


    Ich denke nicht, dass es falsch ist, Geschichten in gute und schlechte einzuteilen, und es ist auch nicht falsch, darüber zu sprechen. Unser Ego braucht die Selbstdarstellung. Aber es sollte nie mit dem Hintergedanken getan werden, um andere Meinungen herabzusetzen, um zu zeigen, dass die anderen keine Ahnung haben und man selbst es besser weiß.


    Ich möchte die Auseinandersetzung mit dem, was beim Publikum gut ankommt und warum das so ist, nicht kategorisch infrage stellen. Nur wird bei den Diskussionen über die Qualität von Geschichten schnell vergessen, dass diese Auseinandersetzung nicht das Ziel hat, Regeln aufzustellen und andere Ansichten für nichtig zu erklären. Die gesamte Kunstwissenschaft ist letztendlich immer nur ein "so kannst du es tun" und nie ein "so sollst du es tun", weil immer wieder gezeigt wird, dass es auch anders geht. Anders gesagt: Du kannst dich mit Unterhaltungsmedien wissenschaftlich befassen. Du kannst die Meinungen vieler Menschen sammeln, um ein Stimmungsbild zu erhalten. Die Ergebnisse lassen sich in vielerlei Hinsicht gut nutzen, doch nicht dafür, um gegen andere Ansichten zu argumentieren. Sie rütteln nicht an der Subjektivität der ganzen Sache.


    Für mich gelten zwei Leitsätze:


    Niemand kann für andere festlegen, welche Geschichten gut sind und welche nicht.


    Jeder kann gut oder schlecht finden was er will, aber egal welche Maßstäbe dafür herangezogen werden und wie viele andere die gleichen nutzen, sie sind nie allgemeingültig. Oft wird zwischen künstlerischer Qualität und dem Unterhaltungswert unterschieden, aber du kannst niemandem vorschreiben, das zu tun. Für die große Mehrheit der Menschen ist der künstlerische Wert einer Geschichte wohl ziemlich unerheblich. Ist es dann nicht falsch, nur ihn als Maßstab gelten zu lassen?


    Geschichten sind nicht beliebig miteinander vergleichbar.


    Klar, jeder kann sagen, die eine Geschichte unterhält mich mehr als die andere, aber irgendwann hört die Vergleichbarkeit dann auf. Geschichten richten sich an unterschiedliche Zielgruppen, die ebenso unterschiedliche Ansprüche haben. Einer Geschichte für Jugendliche den jugendlichen Stil und Inhalt vorzuwerfen, wäre zum Beispiel in etwa so, als würde man einer Komödie vorwerfen, lustig zu sein. Niemand kann verlangen, dass jede Geschichte immer so geschrieben wird, wie man's gerne hätte oder wie man sie selbst schreiben würde und eigentlich ist es auch ziemlich kleinlich, allem gleich die Qualität abzusprechen, weil man nicht zur Zielgruppe gehört. Außerdem wäre es ja langweilig, wenn alle Geschichten gleich erzählt werden.


    Ich hab jetzt ganz bewusst vermieden zu sagen, was Qualität für mich ist (und ehrlich: für mich stehen Bildungsroman und Non-Stop-Geballer auf einer Stufe), und zu fragen, was Qualität für euch ist. Weil das nicht wichtig ist. Mir geht es (wie auch in früheren Threads zum Thema) darum, etwas zu kritisieren: Nämlich Elitarismus, Beckmesserei und das negative Beeinflussen von Menschen, indem ihnen vorgeschrieben wird, was sie zu mögen und zu schreiben haben.


    Was denkt ihr über das Thema?

  • Kann mich dem, was du da schreibst, nur anschließen. Geschmäcker sind verschieden. Der eine mag A, der andere B. Da ist nichts Schlechtes dran, im Gegenteil, das Leben wäre langweilig, wenn wir alle das Gleiche mögen würden.


    Dennoch ist es nicht von der Hand zu weisen, dass einige Geschichten besser sind als andere. Oder anders formuliert: Besser ankommen. Den Geschmack von deutlich mehr Menschen treffen. Denn wenn beispielsweise Film A in den Kinos ein voller Erfolg wird und weltweit was-weiß-ich-wie-viele Milliarden einspielt und im Gegensatz dazu Film B nur Verluste einfährt und den nach zwei Tagen jeder vergessen hat, einfach weil er eben schlecht war, dann kann ich wohl kaum davon reden, dass beide gut gewesen wären. Wobei das natürlich nicht nur auf die Geschichte zurückzuführen ist, sondern oftmals auch auf andere Elemente.


    Oder hab ich deine Frage jetzt nicht verstanden, was genau du mit diesem Thread erreichen willst?

  • Grundsätzlich würde ich mit deinen Leitsätzen übereinstimmen.


    Für mich lässt sich die Qualität einer Geschichte in zwei Teile unterteilen: Den Inhalt an sich, und die Darstellung des Inhaltes.

    Zur Qualität des Inhalts an sich, lässt sich diese wohl von Person zu Person unterschiedlich bemessen. Wo ich z.B. auf Fantasy stehe, kann ein anderer auf Thriller stehen, und gemessen an diesen Interessen empfinde ich diese Inhalte als unterschiedlich qualitativ. Das muss natürlich nicht heißen, dass ein Thriller für mich qualitativ schlechter ist als ein Fantasy-Roman, nur weil er ein Thriller ist, aber die eigenen Interessen sind doch eine durchaus maßgebende Leitlinie, anhand dessen man selbst Geschichten und vor allem das Interesse an diesen Geschichten beurteilt.

    Zur Qualität der Darstellung des Inhalts lässt sich dies sowohl anhand ein paar Regeln als auch wieder über die persönliche Meinung beurteilen. Zu den Regeln würde ich wohl, wenn ich von meinem vorherigen Beispiel eines Romans ausgehe, vor allem Rechtschreibung und Grammatik zählen. Bei Übersetzungen auch noch die Konsistente Einhaltung einer Sprache. Ich hatte letztens ein Buch gelesen, dass ins Deutsche übersetzt war, wo aber ein paar mal die Personenbezeichnung "sie" stattdessen im Englischen gelassen wurde. War zum Glück nicht so häufig, aber je öfter mir solche Fehler in einer Geschichte auffallen, desto mehr habe ich das Gefühl, dass da jemand geschlampt hat, und habe aufgrund dessen ein sinkendes Interesse. Was über die persönliche Meinung beurteilt wird, ist in meinen Augen hier so etwas wie der Schreibstil oder auch, im Falle von bspw. einem Spiel, der Grafikstil.

    Für mich ergeben dann diese beiden Teile zusammengenommen meine Einschätzung der Qualität einer Geschichte.

  • @Zion

    Aber mal angenommen, im Fernsehen würde eine originaltreue Shakespeare-Adaption (ohne Kenneth Branagh!) laufen und gleichzeitig eine Seifenoper mit angesagten Schauspielern. Während die Seifenoper Einschaltquoten im zweistelligen Millionenbereich hat, wird die Shakespeare-Adaption nur von 10 Leuten geschaut. Würdest du dann sagen, dass die Seifenoper gut ist und die Shakespeare-Adaption schlecht?


    Zitat

    Oder hab ich deine Frage jetzt nicht verstanden, was genau du mit diesem Thread erreichen willst?

    Mir geht es um einen Austausch über das Thema, das ist also schon in Ordnung so.


    @Quajutsi

    Ja, bei Rechtschreibung und Grammatik sind sich wohl so gut wie alle einig, wobei ich sagen muss, dass mich bei deutschen Werken Fehler gar nicht so sehr stören. Schlechte englische Übersetzungen, also wenn der Übersetzter Englisch kaum beherrscht, halte ich aber nicht lange aus, weil ich manchmal nicht mehr verstehe, worum es überhaupt geht. Andererseits hab ich auch schon mal deutsche Übersetzungen gelesen, die grammatikalisch korrekt, aber schrecklich formuliert wurden - obwohl sie von Muttersprachlern stammten. Die konnte ich auch nur mit Mühe lesen.

  • Aber mal angenommen, im Fernsehen würde eine originaltreue Shakespeare-Adaption (ohne Kenneth Branagh!) laufen und gleichzeitig eine Seifenoper mit angesagten Schauspielern. Während die Seifenoper Einschaltquoten im zweistelligen Millionenbereich hat, wird die Shakespeare-Adaption nur von 10 Leuten geschaut. Würdest du dann sagen, dass die Seifenoper gut ist und die Shakespeare-Adaption schlecht?

    Boah, schwere Frage :/

    Ohne den Namen zu kennen, den du da nennst (Kenneth irgendwas, ich meine nicht Shakespeare, Shakespeare ist mir natürlich ein Begriff), könnte ich jetzt grundsätzlich anzweifeln, dass die Adaption überhaupt so wenig Reichweite bekommen würde. Davon abgesehen, würd ich raten, dass es vielleicht einfach nicht mehr zeitgemäß sein könnte und wir halt viel lieber Hollywood-Schauspieler sehen. Um deine Frage zu beantworten, wäre die Adaption dann also keineswegs schlecht, aber halt nicht zeitgemäß, was durchaus auch ein Faktor ist, der zum Erfolg beiträgt.


    Am Ende ist es nie nur die Geschichte, die ausschlaggebend ist. Um beim Beispiel "Film" zu bleiben: Die Geschichte eines Films, der Verluste einfährt, mag gut sein. Aber wenn sie nicht gut erzählt wird, nur minderwertige Schauspieler hat, in die sich der Zuschauer nicht hineinversetzen kann, qualitativ miese Special-Effects verwendet, dann ist der Film schlecht, obwohl der Grund-Gedanke - die Geschichte - gut sein mag.

  • Was denkt ihr über das Thema?


    Was mich angeht, so gibt es schlechte Geschichten und solche die mir gefallen. ;) Gleichzeitig ist mir bewusst, dass „gut“ und „schlecht“ bis zu einem gewissen Grad messbar, also objektiv erkennbar sind. Sicherlich stellen diese messbaren Größen lediglich Indizien für die Qualität dar und gute „Messergebnisse“ allein machen noch keine gute Geschichte. Doch die Erfahrung lehrt, dass gute Werte bei jenen, von eigenen persönlichen Meinungen, Ideen und Werten freien Faktoren meistens einhergehen mit besserer subjektiver Bewertung durch die Leserschaft.


    Beispielsweise werden gut strukturierte Geschichten von unserem Hirn besser (und lieber!) aufgenommen und verarbeitet als strukturloses Chaos. Rechtschreibung und Grammatik sind - vorsichtig ausgedrückt – nicht nur für das Textverständnis von Vorteil, sondern fördern das Eintauchen in die Geschichte. Oder sie behindern es. Ob die Heldin einer Geschichte mit ihrer Umwelt agiert und wie die Umwelt auf die Heldin zurückwirkt, ist ebenfalls objektiv fassbar und beeinflusst massiv, wie wir die Geschichte empfinden.


    Kurz gesagt: „Gut“ und „schlecht“ sind nicht nur subjektiv. Wir sind alle Menschen, wir lieben Narrative - je „menschlicher“ Geschichten erzählt werden, desto mehr werden sie wir mögen. Kritiken die sich auf solche Faktoren fokussieren würde ich nicht elitär oder besserwisserisch nennen.

  • Es ist schwierig mit den Geschichten, aber ich neige tatsächlich dazu (Asche über mein Haupt), Geschichten schnell zu untersuchen, ob hinter dem Plot wirklich eine gute Ausarbeitung steckt, ob der lieblos in 5 Minuten zusammengeklatscht wurde. Und daher kann ich deinem ersten Leitsatz einfach nicht zustimmen: Ja, das ist für mich eine Frage der Qualität, denn es hält mein Interesse als Spieler wach und lässt mich mit den Figuren leiden. Sind sie mir egal oder berühren sie mich nicht, wende ich mich irgendwann ab. Insofern würd ich dir in Teilen widersprechen: Man kann durchaus erkennen, ob jemand sich viele Gedanken gemacht und das Ganze mit Herz geschrieben hat oder das Ganze hingeklatscht hat und eine seelenlose Allerweltstory rauskam. Da bin ich streng und da werde ich meine Meinung kaum ändern.


    Der zweite Teil ist spannender: Sie sind nicht vergleichbar. Wer ein simples Märchen erzählt, kann mich genauso gut überzeugen wie ein politisches Drama. Wichtig sind hier nur das Herzblut, vergleichbar sind sie wohl nur im Sinne ob sie mein Interesse wecken oder mich berühren und hier neige ich dann tatsächlich zum Vergleich. Dennoch muss ich bei Leitsatz 2 zustimmen: Jedes Werk muss individuell betrachtet und bewertet werden.


    Und der Vergleich mit Shakespeare und der Soap Opera hinkt dahingehend, dass Shakespeare nach wie vor immer noch unsere Popkultur dominiert, sei es das neuartige Romeo und Julia oder Sweeney Todd. Alle tragen die Handschrift Shakespeares. Insofern find ich so eine Aussage schwierig. Gleichwohl kann eine intelligente, warmherzige Soap einen anderen Nerv als die schweren und tragischen Stoffe Shakespeares ansprechen. Es ist wohl natürlich eine Frage des Zuschauergeschmacks. Gleichwohl muss ich aber auch anmerken, dass die Umsetzung ebenso wichtig ist. Neben der angesprochenen Syntax/Stilistik/Grammatik spielen hier wohl auch die Emotionen und die "filmische" Umsetzung eine Rolle, sprich Licht, Musik und Sound u.a.


    Es hat schon einen Grund, warum manches Werk Eingang in einen Kanon findet, während anderes in Vergessenheit gerät. Das mag sicher oft politische und kulturelle Gründe haben, nicht selten aber auch qualitative, denn: Auch früher waren Geschichten ihrer Zeit voraus und haben Menschen berüht. Shakespeares Geschichten waren seiner Zeit soweit voraus, dass er zunächst als schlechter Schriftsteller galt. Im Endeffekt hat er sich jedoch über alle Etappen der Geschichten durchgesetzt, insofern bin ich der Überzeugung dass ein gutes Skript, starke Emotionen und eine gute Umsetzung durchaus qualitativ messbar sind, ansonsten wäre jeder in 5 Minuten zusammengezimmerte Groschenroman schon ein Qualitätsmerkmal und das kann es nun wirklich nicht sein, aller Liebe für angehende Schriftsteller zum Trotz.


    Das Stichwort für mich lautet Immersion (anderes Wort für "Eintauchfähigkeit in die Geschichte"): Gelingt sie, spricht es für die Qualität, auch wenn mich das Genre nicht interessiert, Gleiches gilt für das Gegenteil und eine starke Immersion kann mein anfängliches geschmacksbegründetes Desinteresse durchaus außer Kraft setzen. Insofern stimme ich dir nur zum Teil dazu: Jede Geschichte verdient einen uneingenommenen, respektvollen Blick, am Ende bleibt aber durchaus ein Urteil über die Überzeugungskraft des Skripts, seine Figuren und der Immersion des Ganzen im Bereich des Möglichen.

  • Ich denke dass es über den Geschmack hinaus auch eine mögliche Quantifizierung gibt um gut und schlecht zu unterscheiden. Ich denke das ist nicht das Problem sondern eher, dass uns als Leihen die Qualifikation fehlt solche Prädikate sinngemäß und objektiv zu erteilen. Da bedarf es wohl eher der Meinung eines Lektoren oder Literaturkritikers. Dieses Thema fällt für mich deshalb unter das vergangene Thema Kritik richtig geben und nehmen, denn über Geschmack sollte man wirklich nicht streiten.

  • Kurze, aber starke Replik , lieber Moons.of.Kandar


    Da gehe ich ganz konform. Man kann es qualitativ durchaus messen, der eigene Geschmack hängt dennoch wie ein Damoklesschwert über der Eingangspforte, die man zunächst einmal durchschreiten muss.


    Zu der Wertung als Solches möchte ich mich mal selbst kritisch hinterfragen, da du einen spannenden Punkt ansprichst.

    Ob ich ein Laie bin, ist schwer zu beurteilen. Ich habe großes Hintergrundgewissen, aber ich habe keine Ausbildung als Literaturkritiker (ich habe nur Literaturwissenschaft in 2 Sprachen studiert) und kann da sicher nicht mal im Ansatz mithalten, dennoch weiß ich um die Mechanismen hinter bekannten (im Kanon befindlichen) Literatur Bescheid. Tatsächlich sind diese nicht selten vergleichbar.

  • @Zion

    Kenneth Branagh ist ein englischer Schauspieler und Regisseur, der schon an mehreren erfolgreichen Adaptionen von Shakespeare beteiligt war. Der wäre also eher ein Garant für Erfolg.


    Ich frage mal anders: Wenn du jeden in Deutschland fragst, welches Buch besser ist, Twilight oder ein beliebiges Buch der Hochliteratur, was wäre die Antwort? Oder ganz fies: Wenn du alle Spieler von Makerspielen aus Deutschland fragst, welches Spiel ist besser, Vampires Dawn 3 oder ein beliebiges anderes Spiel, was wäre die Antwort? Ich will absolut keine Parallelen zwischen Twilight und Vampires Dawn 3 ziehen!


    Für die meisten Menschen ist meiner Ansicht nach die künstlerische, schriftstellerische Qualität eines Werkes unerheblich und niemand kann sie dazu zwingen, es anders zu sehen, und niemand sollte ihre Meinung herabsetzen.


    Ich finde übrigens die meisten Bücher der Hochliteratur, die ich kenne, schrecklich langweilig. Und das heißt auch für mich: sie sind schlecht. Schriftstellerisch gut, ja, aber das ist nicht wichtig. Mir ist natürlich bewusst, dass die Bücher gar nicht als Unterhaltungsliteratur gedacht sind, doch auch das spielt keine Rolle, langweilig sind sie trotzdem. Wobei es einige gibt, die mir gefallen haben.


    @Forelle

    Wie erklärst du dir denn dann die große Beliebtheit von Werken, die aus der Sicht vieler Kritiker und Autoren schlecht sind? Da geht es ja oft um die Struktur.


    Was verstehst du unter einer menschlichen Erzählung? Die Kritiker, die ich im Sinn hab, sprechen ja meistens eher nicht von der emotionalen Seite, sondern von der analytischen, also von der Struktur der Geschichte, wie der Autor sich ausdrückt usw.


    Elitär wäre zum Beispiel jemand, der sagt, klassische Musik ist jeder anderen Musik überlegen. Und ich bin selbst ein begeisterter Fan der klassischen Musik. Ich halte es aber für vollkommen falsch, die Musik kategorisch als besser zu bezeichnen, nur weil sie stärker als andere Musik auf "Formeln" beruht, sag ich mal so als Laie. In Wirklichkeit kann man die unterschiedlichen Musikstile gar nicht miteinander vergleichen.


    @Gex_1983

    Aber selbst in Plan 9 From Outer Space steckt Herzblut. Ich denke, du solltest niemanden auf Grundlage der Umsetzung und des Inhalts absprechen, Herzblut in die Geschichte gesteckt zu haben. Das kann niemand außer der Autor beurteilen.


    Ich hab den Leitsatz aber anders gemeint. Es geht nicht um die Beurteilung von Werken, sondern darum, dass jemand sagt: Deine Meinung ist falsch. Du musst das so und so sehen. Jemand legt also allgemeingültig fest, welche Werke gut sind und welche schlecht. Und jemand, der das macht, verhält sich nicht nur anmaßend, sondern versucht auch etwas, was gar nicht geht.

  • Ich bin immer der Meinung, dass man als Entwickler besser fährt, wenn man seinem Kritiker sagt, was man kritisiert oder belobt haben möchte;
    "Was hältst Du vom Gameplay?" oder "Wie Findest du das Mapping?". Vor allem, wenn man selbst gewisse Faktoren nicht so prägend findet wie es eventuell der Kritiker tut. Meine Frau sagt immer: "Zeig deine Sachen nur Leuten aus deiner Zielgruppe". Ich stimme da nicht voll zu, finde aber, dass sie nicht unrecht hat. Mit der Zielgruppe geht man sicher, dass man mit dem Geschmack und der Ausführung auf offene und verständnisvolle Geister trifft.

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  • "Zeig deine Sachen nur Leuten aus deiner Zielgruppe"

    Das kann man so oder so sehen. Wie du schon sagtest, geht man, wenn man dem folgt, relativ sicher; ich denke aber, dass man sich da auch einiges an Kritik abschneidet, weil die Leute aus der Zielgruppe vielleicht über manche Sachen hinwegsehen oder sie nicht so stark wahrnehmen, eben weil sie dieser Zielgruppe angehören und sowas für sie so stimmt oder sie sich daran gewöhnt haben, wo dann im Gegensatz dazu Leute außerhalb der Zielgruppe mehr darauf achten.

    Im Endeffekt muss das aber jeder Entwickler für sich selbst entscheiden.


  • @Forelle [...]

    Zunächst setze ich „gut“ nicht mit „erfolgreich“ gleich. Ein handwerklich gut gemachtes Buch kann zweifelsohne dennoch ein schlechtes Buch sein. Und ein handwerklich schlecht gemachtes erfolgreich. Die Sprache ist dann womöglich schlicht oder grob. Vielleicht vulgär. Die Geschichte ekelig, zielt anderweitig auf niedere Instinkte oder trifft einfach den Nerv der Zeit... Das alles macht das Buch nicht zu einem guten Buch, oder zu einem gut strukturierten. Selbst dann nicht, wenn es sich wie geschnitten Brot verkauft.


    Und doch werden selbst diese Bücher eben nicht voller Rechtschreibfehler, voller grammatikalischer Missgriffe sein, weil sie dann nicht mehr verstanden würden. Sprache folgt Regeln, ob uns das passt oder nicht. Damit sind wir wieder bei Konventionen, bei Messbarkeit und Objektivität. Vielleicht auch wichtig: Kritik bitte nicht mit einer Rezeptur für gute Geschichten verwechseln!

    Es ging mir umgekehrt darum, dass eine handwerklich schlecht gemachte Geschichte weniger wahrscheinlich gut sein wird und dass man sehrwohl Handwerkszeug hat um diese handwerklichen Schnitzer zu "messen" und zu benennen. Es ist keine reine Frage des Geschmacks. Mit handwerklich gut meine ich nicht gedrechselte Rede. Wir Menschen nutzen, seit wir sprechen, bestimmte Erzählstrukturen. Wenn ich also will, das meine Geschichte fesselt, wäre es gar nicht dumm, diese Gepflogenheiten zu beachten. Natürlich kann ich dies auch missachten und darauf hoffen, dass andere dies originell finden. Kritik und Hinweise auf diesen Bruch sollen doch bitte erlaubt sein.

  • Ist die Behauptung der kompletten Irrelevanz irgendwelcher Maßstäbe nicht genau das, was sie in Abrede stellt: Wiederum ein Maßstab?

    Zumindest ist die Beobachtung, dass es uns gegenwärtig schwerfällt, einen verbindlichen Kanon des Hohen und Erstrebenswerten aufzustellen, eine passende zeitgeschichtliche Beschreibung. Die alten Autoritäten sind uns abhanden gekommen, neue noch nicht gefunden. Wir schreiben uns kleine Artigkeiten und verbleiben in formloser Unverbindlichkeit. Ich bedaure das. Ein behaupteter Maßstab mag im Zweifelsfall borniert sein, hat jedoch alle Vorteile des Konkreten - allem voran bietet er eine Angriffsfläche für ausformulierte Gegenargumente, während ein kultureller Laissez-faire den Geist zu sedieren droht.


    Ich finde Kelvens einleitende Worte auf jeden Fall maximal inklusiv. Wenn ich sinngemäß lese, alles habe seinen Platz, man müsse sich für nichts schämen, dann ist das eine schöne Ermutigung für die Schüchternen, sich zu zeigen und sich zu trauen, durch ihre Werke zu sprechen. Ein an Neuzugängen interessiertes Forum kann davon nur profitieren.

    Trotzdem ist mir die Grundaussage zu beliebig. Wenn alles irgendwie toll sei, zählt eben im Einzelfall auch nichts mehr. Dann droht man unbeabsichtigt, vor lauter Warmherzigkeit im Generellen die Wertschätzung des konkreten Werks zu versäumen. Es gibt dann nur noch erste Plätze. Und diesen Maßstab möchte ich auf einer Spielwiese der Kreativen so gar nicht regieren sehen.

  • real Troll So literaterisch wertvoll kann ich meine eigene Meinung wohl nur selten ausdrücken. :D Insofern: Kompliment und Dito.


    Hotzenplotz

    Hotzenplotz schrieb:

    @Gex_1983

    Aber selbst in Plan 9 From Outer Space steckt Herzblut. Ich denke, du solltest niemanden auf Grundlage der Umsetzung und des Inhalts absprechen, Herzblut in die Geschichte gesteckt zu haben. Das kann niemand außer der Autor beurteilen.


    Ich hab den Leitsatz aber anders gemeint. Es geht nicht um die Beurteilung von Werken, sondern darum, dass jemand sagt: Deine Meinung ist falsch. Du musst das so und so sehen. Jemand legt also allgemeingültig fest, welche Werke gut sind und welche schlecht. Und jemand, der das macht, verhält sich nicht nur anmaßend, sondern versucht auch etwas, was gar nicht geht.


    Das ist halt der Punkt, wo ich mir nicht so sicher bin. Natürlich kann es manchmal "nur" mangelndes Talent, aber eine gute Absicht gegeben haben. Aber es gibt Tutorials (auch in schriftlicher Form), Internetseiten und so weiter. Wenn man wirklich gewollt hätte, hätte man sich einlesen können. Das tun halt viele aber nicht.

    Insofern muss ich das mit dem Herzblut zumindest in Teilen absprechen, vor allem dann, wenn berechtigte Kritik ignoriert wurde.


    Eine Meinung als "falsch" zu bezeichnen, ist sicher immer schwierig, dennoch find ich kann es "unzutreffend", vielleicht weil objekte Fakten nicht betrachtet wurden. Alles was die Emtionen, das Gefühl und persönliche Eindrücke kann nicht als falsch bezeichnen werden, im besten Fall haben wir aber Missverständnisse, die aufgelöst werden müssen. Andererseits gibt es noch immer den persönlichen Geschmack, und der ist halt nicht "falsch", sondern bestenfalls "anders". Dies gilt es dann in gewissen Maßstäben zu respektieren.


    Ansonsten bleibe ich bei der Überzeugung, dass man qualitative Maßstäbe festlegen kann. Vollkommen Recht hast du in der Annahme, dass die aber dringend zu jeder Zeit hinterfragt gehören, denn Werte und somit Werke wandeln sich natürlich über die Zeit. Was heute "gut" war, kann morgen "schlecht" sein, auch wenn sich gewisse Werte wohl über die Jahrhunderte gehalten haben, trotz allem. Insofern: Man kann zumindest qualitative Maßnahmen bestimmen, das Stigma "schlecht" find ich oft hart, manchmal bevorzuge ich eher den Ausdruck "aufgrund guter Ideen auf gutem Weg, aber mit Luft nach oben". Bei einem Mangel an Interesse am Thema fällt es mir hingegen schwer, Qualität zu bezeugen, vor allem wenn klar erkennbar ist, dass sich ein Autor überhaupt weigert (!) halbwegs interessante Elemente einzubringen.


    Wenn er selbst nicht an der eigenen Geschichte interessiert ist, wie soll ich das dann sein? Für alle anderen hast du aber Recht: Hier wäre "schlecht" gemein und unzutreffend. Viel lieber sollte man mit konstruktiver Kritik aushelfen.

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  • @Forelle

    Ja, du selbst kannst für dich entscheiden, dass ein handwerklich schlechtes Buch, das sich gut verkauft, immer noch ein schlechtes Buch ist. Aber du kannst nicht verlangen, dass andere es genauso sehen. Mir geht es ja vor allem um die Leute, die meinen, dass ihre Ansicht allgemeingültig ist und dass die Meinung aller, die das handwerklich schlechte Buch gut finden, ungültig ist.


    Die ganz grundsätzlichen Ansprüche, die du im zweiten Absatz ansprichst, erfüllen denke ich die meisten Geschichten, vor allem die, die vorher durch eine Qualitätsprüfung gegangen sind (Verlag, Produzenten, Tester usw.) Die Diskussionen drehen sich meistens nicht darum, dass eine Geschichte noch nicht mal eine Geschichte ist.


    @real Troll

    Irrelevant sind Maßstäbe nicht. Ich möchte weder die persönlichen Maßstäbe infrage stellen, noch die, für die sich eine Gruppe von Personen entschieden hat. Die einzelne Person oder die Gruppe können aber den Geltungsbereich der Maßstäbe nicht gegen den Willen anderer Menschen beliebig ausweiten. Sie können also nicht sagen: Die Maßstäbe gelten auch für dich. Aber genau das tun einige Menschen, sei es auch indirekt oder unbewusst. Immer dann, wenn andere Ansichten als falsch abgestempelt werden, indem sich auf allgemeingültige Regeln berufen wird. Immer dann, wenn jemand mit übertriebenen Aggressionen auf etwas reagiert, das den eigenen Maßstäben nicht gerecht wird und regelrecht Sturm dagegen läuft. Jemand, der voller Wut gleich ein Video macht, um allen die Fehler einer Geschichte zu zeigen (sehe ich aktuell bei der zweiten Staffel von Picard), macht das sicher nicht unter der Prämisse, dass die eigene Meinung höchst subjektiv ist, sondern aus der Überzeugung heraus, dass gegen eherne Regeln verstoßen wurde.


    Ich bin kein Waldorfschulenlehrer. Auch ich finde einiges schlecht, nicht nur wegen dem fehlenden Unterhaltungswert, sondern manchmal auch wegen der schriftstellerischen Nicht-Qualität. Ich würde aber niemals sagen, dass ich mich dabei auf Regeln berufe, die für alle gelten. Tatsächlich ist es oft so, dass das, was ich für schlecht geschrieben halte, von anderen sogar als gut geschrieben angesehen wird. Das unterstreicht für mich, dass unsere Maßstäbe wahlloser und voreingenommener sind, als uns allen bewusst ist.


    Ich will mit dem ersten Absatz nicht sagen, dass alles gut ist, sondern dass jede Meinung legitim ist. Auch wenn jemand etwas gut findet, was man selbst schlecht findet.


    @Gex_1983

    Tutorials, die beschreiben, wie der Autor eine Geschichte schreiben würde. Das ist aber nicht zwangsläufig der einzige Weg, eine Geschichte zu schreiben. Ein Spieler in unserem Fall kann sagen, wie ihm die Geschichte eines Spiels gefallen hat, aber er kann nicht fordern, dass der Entwickler die Geschichte so schreibt, wie er es gerne hätte oder selbst tun würde. Du solltest in Betracht ziehen, dass Menschen ganz unterschiedliche Ansprüche stellen und unterschiedlich schreiben. Kannst du mit Sicherheit sagen, dass eine Geschichte dir deswegen nicht gefällt, weil der Autor kein Herzblut in sie gesteckt hat? Könnte es nicht auch daran liegen, dass der Autor anders schreibt als du?


    Zitat

    Ansonsten bleibe ich bei der Überzeugung, dass man qualitative Maßstäbe festlegen kann.

    Das sehe ich auch so, aber diese Maßstäbe haben nie einen uneingeschränkten Geltungsbereich. Das heißt niemand kann verlangen, dass alle Menschen diese Maßstäbe nutzen.

  • Ich hab da jetzt mal länger drüber nachgedacht und hab einen Lösungsvorschlag:
    Zahle es mit gleicher Münze zurück und bewerte das Feedback deinerseits. Wenn Du zum Beispiel Feedback bekommst wie:

    "Dein Spiel sieht aus wie die Kotze meiner Zwillingspudel, wenn sie mal wieder die Spinatlachlasagne- Reste aus dem Mülleimer gefischt haben"

    ist das genauso wertlos wie "Sieht ganz super mega duper toll aus!"

    Beides Feedback wurde erstellt um eine starke emotionale Reaktion bei dir hervor zu rufen und nicht um das Spiel/Story selbst zu bewerten.

    Kann sein dass Mr. Hundekotze dich einfach nicht leiden kann, oder dass Mr. super duper, einfach ein guter Freund von dir ist.
    Wenn Du aber anfängst das Feedback emotional aus zu sortieren, dann findest du das wertvolle unter dem Trash.


    Wertvolles Feedback muss nicht objektiv sein, sondern Vorurteilsfrei; es muss nicht positiv sein, aber es darf nicht destruktiv sein.
    wer sich nicht daran hält, darf trotzdem Feedback geben, ist ein freies Land/Forum, aber DU darfst es ablehnen, wenn es dir nicht gefällt oder dir wertlos erscheint.

  • @Forelle

    Ja, du selbst kannst für dich entscheiden, dass ein handwerklich schlechtes Buch, das sich gut verkauft, immer noch ein schlechtes Buch ist. Aber du kannst nicht verlangen, dass andere es genauso sehen. Mir geht es ja vor allem um die Leute, die meinen, dass ihre Ansicht allgemeingültig ist und dass die Meinung aller, die das handwerklich schlechte Buch gut finden, ungültig ist.


    Die ganz grundsätzlichen Ansprüche, die du im zweiten Absatz ansprichst, erfüllen denke ich die meisten Geschichten, vor allem die, die vorher durch eine Qualitätsprüfung gegangen sind (Verlag, Produzenten, Tester usw.) Die Diskussionen drehen sich meistens nicht darum, dass eine Geschichte noch nicht mal eine Geschichte ist.

    Warum sollte man nicht jedes Buch nach den gleichen objektiv gültigen Faktoren allgemeingültig beurteilen dürfen? Was mich betrifft, so habe ich kein Problem damit, dass mein Lieblingsbuch nach diesen Maßstäben eher ein mittelmäßiges Buch ist. Oder meine Geschichte. Der Maßstab ist bekannt (und wenn nicht kann ich nachlesen). Wichtig ist, aufgrund der allgemeingütligen Faktoren kann ich die Kritk einordnen und kann entsprechend handeln, wenn ich Handlungsbedarf sehe.

    Ich fände es nämlich extrem störend, wenn jeder Kritiker seine eigene Messlatte anlegen würde. Dann wäre Kritik m.E. völlig beliebig und nutzlos. Weshalb also darf man flach nicht flach nennen? Es hat ja keine Folgen, außer dass eine gewisse Vergleichbarkeit gewährleistet ist. Du darfst es trotzdem mögen, lesen und verbreiten und sogar zu deinem Lieblingswerk machen. Ich sehe das Problem ehrlich gesagt nicht.

  • Also gut mein letzter Beitrag zu dem Thema:

    nehmen wir eine richtig blöde Geschichte: Ein Mann geht um die Ecke und Steigt auf einen Keks.
    Wir lassen die Geschichte Nacherzählen von:


    einem Erstklässler

    einem Abiturienten
    einem Literaturprofessor.


    der Erstklässler schreibt maximal 3 Zeilen. Du wirst bestimmt sagen dass die Geschichte schlecht und blöd ist.
    Der Abiturient hat wahrscheinlich 2 Seiten Raus gehauen und mit Witz und Ironie eine passable Geschichte daraus gemacht
    Der Literaturprofessor schreibt eine Kurzgeschichte baut Gedanken und Gefühle ein und liefert ein werk das überzeugt und zum Nachdenken anregt.

    Was macht das mit der Geschichte? - gar nichts, es ist der selbe Mann, die Selbe Ecke, der selbe Keks.

    Fazit: Geschichten lassen sich nicht wirklich beurteilen, es ist die Art und Weise wie sie erzählt werden. und das lässt sich beurteilen.
    sag also in Zukunft nicht, "die Geschichte ist gut oder nicht gut" sondern " Die Geschichte wurde gut oder nicht gut erzählt.