Manchmal frage ich mich, warum wir alles so gerne bewerten, warum wir interne Ranglisten erstellen, in denen wir Geschichten nach ihrer Qualität anordnen, und vor allem, warum wir diese Ranglisten so gerne mit denen anderer vergleichen. Eigentlich müsste ich doch, spätestens wenn mir bewusst wird, wie schnell ein sinnloser Streit wegen unterschiedlicher Geschmäcker ausbricht, die Reißleine ziehen und in aller Gemütlichkeit jede andere Meinung akzeptieren. Und trotzdem ist es so verlockend, sich über sie aufzuregen und gegen sie anzukämpfen. Oft sogar im Glauben, es am Ende besser als die anderen zu wissen.
Ich denke nicht, dass es falsch ist, Geschichten in gute und schlechte einzuteilen, und es ist auch nicht falsch, darüber zu sprechen. Unser Ego braucht die Selbstdarstellung. Aber es sollte nie mit dem Hintergedanken getan werden, um andere Meinungen herabzusetzen, um zu zeigen, dass die anderen keine Ahnung haben und man selbst es besser weiß.
Ich möchte die Auseinandersetzung mit dem, was beim Publikum gut ankommt und warum das so ist, nicht kategorisch infrage stellen. Nur wird bei den Diskussionen über die Qualität von Geschichten schnell vergessen, dass diese Auseinandersetzung nicht das Ziel hat, Regeln aufzustellen und andere Ansichten für nichtig zu erklären. Die gesamte Kunstwissenschaft ist letztendlich immer nur ein "so kannst du es tun" und nie ein "so sollst du es tun", weil immer wieder gezeigt wird, dass es auch anders geht. Anders gesagt: Du kannst dich mit Unterhaltungsmedien wissenschaftlich befassen. Du kannst die Meinungen vieler Menschen sammeln, um ein Stimmungsbild zu erhalten. Die Ergebnisse lassen sich in vielerlei Hinsicht gut nutzen, doch nicht dafür, um gegen andere Ansichten zu argumentieren. Sie rütteln nicht an der Subjektivität der ganzen Sache.
Für mich gelten zwei Leitsätze:
Niemand kann für andere festlegen, welche Geschichten gut sind und welche nicht.
Jeder kann gut oder schlecht finden was er will, aber egal welche Maßstäbe dafür herangezogen werden und wie viele andere die gleichen nutzen, sie sind nie allgemeingültig. Oft wird zwischen künstlerischer Qualität und dem Unterhaltungswert unterschieden, aber du kannst niemandem vorschreiben, das zu tun. Für die große Mehrheit der Menschen ist der künstlerische Wert einer Geschichte wohl ziemlich unerheblich. Ist es dann nicht falsch, nur ihn als Maßstab gelten zu lassen?
Geschichten sind nicht beliebig miteinander vergleichbar.
Klar, jeder kann sagen, die eine Geschichte unterhält mich mehr als die andere, aber irgendwann hört die Vergleichbarkeit dann auf. Geschichten richten sich an unterschiedliche Zielgruppen, die ebenso unterschiedliche Ansprüche haben. Einer Geschichte für Jugendliche den jugendlichen Stil und Inhalt vorzuwerfen, wäre zum Beispiel in etwa so, als würde man einer Komödie vorwerfen, lustig zu sein. Niemand kann verlangen, dass jede Geschichte immer so geschrieben wird, wie man's gerne hätte oder wie man sie selbst schreiben würde und eigentlich ist es auch ziemlich kleinlich, allem gleich die Qualität abzusprechen, weil man nicht zur Zielgruppe gehört. Außerdem wäre es ja langweilig, wenn alle Geschichten gleich erzählt werden.
Ich hab jetzt ganz bewusst vermieden zu sagen, was Qualität für mich ist (und ehrlich: für mich stehen Bildungsroman und Non-Stop-Geballer auf einer Stufe), und zu fragen, was Qualität für euch ist. Weil das nicht wichtig ist. Mir geht es (wie auch in früheren Threads zum Thema) darum, etwas zu kritisieren: Nämlich Elitarismus, Beckmesserei und das negative Beeinflussen von Menschen, indem ihnen vorgeschrieben wird, was sie zu mögen und zu schreiben haben.
Was denkt ihr über das Thema?