Kritik & Kritikfähigkeit

  • Diese Imperfektionen, auch wenn sie noch so klein und unscheinbar sind, dass man sie einzeln fast gar nicht hört, können das Stück im Gesamten stören.

    Selbst wenn der Klavierspieler einzelne Noten überspringt, wird das kaum jemanden auffallen, sondern nur denen, die das Stück sehr gut kennen. In einem Wettbewerb wäre das wohl ein Fehler, aber unter anderen Bedingungen, nämlich wenn die Musik alleine der Unterhaltung dient, ist es fast schon irrelevant. Ich bin der Ansicht, dass kleine Imperfektionen keine spürbare Auswirkung auf den Spielspaß haben. Wenn sie es hätten, wären es keine kleinen Imperfektionen mehr. Oder jemand übertreibt maßlos.


    Ich hab deswegen zu dem Vergleich gegriffen, weil ich einen großen Unterschied zwischen dem künstlerischen Handwerk und dem künstlerischen Ausdruck sehe. Ich fände es nicht schön, wenn sich der Gedanke verbreiten würde, dass man quasi lernen muss, seine Werke nach den Ansprüchen anderer Entwickler! zu gestalten. Unter der Prämisse, dass die anderen einen besseren Geschmack haben. Wer kann denn sagen, was eine gute Map ist und was nicht? Gut, jeder kann es, aber niemand kann es für andere festschreiben. Und trotzdem wird häufig davon gesprochen, man müsse sein Mapping verbessern. Ich finde die eine Map auch schöner als die andere, aber eben auch nur das. Die Map, die hinter der schöneren landet, ist nicht grässlich.


    Wenn ich mich von einem Kritikpunkt angegriffen fühle, ist das meist nicht die Schuld des Kritikers, sondern meine eigene Unfähigkeit über Emotionen hinweg den Sinn des Einwands zu begreifen,

    Ist es denn das Kritisieren an sich, von dem jemand sich angegriffen fühlt? Ich glaube, das passiert nur sehr selten. Meistens gibt es aus zwei Gründen Streit: Entweder der Entwickler interpretiert in die negative Meinung mehr rein als da ist, glaubt also unberechtigterweise, dass der Spieler ihn herabsetzen will, oder der Spieler schreibt wirklich polemisch.

  • Tatsächlich ging es mir darum, dass ich aus Entwicklersicht meine Imperfektionen erkennen will! Nicht, dass ich mich nach jeder noch so kleinen Kritik verbiegen möchte, und den neuen Ansprüchen gerecht werden will, ich will diese Sachen aber mindestens kennen und im Hinterkopf behalten, damit ich aktiv auf diese Dinge achte, und bestenfalls erfahre, warum ich diese (meist eben nur für mich) Fehler mache.

    Da gehts mir übrigens nicht wirklich darum, dass der Entwickler zwingend meine Präferenzen einbauen soll, sondern eher darum, dass verschiedene Entwickler verschiedene Stärken und Schwächen haben, und ich gehe da lieber das Risiko ein mich zum nörgelnden Deppen zu machen, als dass ich dem Kritikempfänger eine potentielle Lernmöglichkeit verwehre. Wenn dann tatsächlich, aus Entwicklersicht, keine Lernmöglichkeit besteht, kann man die Kritik/das Genörgle natürlich ganz getrost ignorieren.

    Da steckt also eher analytische Neugierde dahinter, als der Wunsch, es allen Recht zu machen.

    Ich teile definitiv deine Meinung, dass diese Kleinigkeiten sicherlich für (fast) keinen Spieler den Spielspaß trüben, ausser es sind zu viele, oder es sind keine Kleinigkeiten!


    Hotzenplotz schrieb:

    Ist es denn das Kritisieren an sich, von dem jemand sich angegriffen fühlt? Ich glaube, das passiert nur sehr selten. Meistens gibt es aus zwei Gründen Streit: Entweder der Entwickler interpretiert in die negative Meinung mehr rein als da ist, glaubt also unberechtigterweise, dass der Spieler ihn herabsetzen will, oder der Spieler schreibt wirklich polemisch.

    Da stimme ich dir ebenfalls zu. Nicht das Kritisieren, sondern der Inhalt der Kritik wird, sobald er negativ ist, gerne als Angriff gesehen, wie du eh beschrieben hast. Ja, sowas gibts eher selten, und ist eher bei Anfängern zu sehen, aber bis vor kurzem war ich ebenfalls einer dieser Anfänger (und bin es auch irgendwie noch), und somit bin ich selbst vor nicht allzu langer Zeit noch diese Falle getappt ;D

    j2Dw1M

    "Was keine Heilerin mag flicken, kein Usurpator will nehmen,

    kein Gott kann besteigen, ist zu verwüstet um zu lieben."

  • Legion

    Das ist bei mir auch so angekommen. Für mich stellt sich nur die - zugegebenermaßen eher philosophische Frage - wann und ob von Fehlern und Schwächen gesprochen werden sollte. Ist die weniger schöne Map eine Schwäche? Ist es schlecht, bestimmte Fähigkeiten nicht zu besitzen oder dass das eigene Können hinter dem von anderen zurücksteht?


    ***


    Ganz allgemein gesagt: Problematisch finde ich negative Stimmen nur dann - und das ist, so wie ich es sehe, auch das Credo dieses Threads - wenn sie persönlich werden. Das passiert eher selten, zumindest schreibt es kaum jemand direkt unter die Vorstellung. Wie oft es im (vermeintlich) Verborgenen passiert, ist wieder eine andere Frage. Aber vielleicht befassen wir uns gerade weil es nicht so oft passiert so gerne damit.


    Ich bin der Meinung, dass es manchmal richtig und notwendig ist, auf eine negative Äußerung mit Polemik zu reagieren. Berechtigte Gründe sind zum Beispiel folgende Verhaltensweisen (von denen fühle ich mich angegriffen):


    - Der Versuch, jede Diskussion im Keim zu ersticken, indem der eigene Standpunkt als Fakt verkauft wird. Obwohl immer wieder bekräftigt wird, dass alles nur eine Meinung und subjektiv sei, kommt es trotzdem vor, dass jemand "Das darf man so nicht!" schreibt. Mal mehr, mal weniger direkt. Seinen eigenen Standpunkt für unerschütterlich zu erklären, bedeutet aber gleichzeitig, sich über den Diskussionsgegner zu stellen. Zu schreiben: "Es ist allgemein bekannt, dass man heutzutage keine Zufallsgegner mehr in ein Spiel einbaut" ist mehr als nur zu bekunden, dass man Zufallsgegner nicht mag. Es wird auch allen gezeigt, dass der Entwickler etwas falsch gemacht hat, er wird herabgesetzt.

    - Spott und Polemik gegenüber dem Spiel, denn das ist respektlos.

    - Wenn jemand - natürlich unlöbliche - Botschaften in meinem Spiel sieht, die gar nicht da sind. Es kann mir zwar misslingen, meine Botschaft zu vermitteln, aber von einer schlechten Umsetzung zu einer fragwürdigen Botschaft ist es schon ein gewaltiger Sprung.

    - Wenn jemand auf Basis der Spielinhalte Rückschlüsse über meine Person zieht.

  • Hotzenplotz
    Aber so eine philosophisch freigeistige Bewertung hast du doch rein praktisch nie (zumindest nicht in dieser Kunst-Kritiker-Form). In der Regel wird dir zumindest auf Nachfrage auch erklärt, warum jemand meint, dass z.B. das eigene Mapping "schlecht" ist. Und da sind wir dann im regulären Szenario: Entwickler*in hatte eine gewisse Vorstellung für ein Spielelement, die Umsetzung konnte Kritiker*in nicht überzeugen und es wird - mehr oder weniger detailreich - erklärt, wie es besser hätte gelöst werden können.
    Beispiel Story: Es gibt zwar keinen Zwang, eine Story unbedingt in einer bestimmten Art aufzubauen, aber es lohnt halt dennoch, zu evaluieren, warum andere beliebte Stories seit Jahrtausenden so gut zu funktionieren scheinen, dass sich vieles im Aufbau immer wieder ähnelt. Hinweise dazu - weil Kritiker*innen sich vielleicht durch ihre Arbeit oder Passion auch näher damit und der Medienanalyse beschäftigen - komplett in den Wind zu schlagen, nur weil es nicht "der eigenen Vision entspricht" halte ich aus Entwicklersicht recht... kurzsichtig. Mir hat es jedenfalls nicht geschadet, auch mal auf Leute zu hören, die sich ein paar Minuten länger mit den Themen, die ich umsetzen wollte, beschäftigt hatten, als ich selbst. xD

    Ja, Kunst ist ein vages und sehr subjektives Feld, aber mMn sollte man sich nicht zu sehr verschließen und immer offen für neue Perspektiven sein. Manchmal ist die eigene Vision halt auch nicht das Non-Plus-Ultra. ^^;


    MfG Der Schilderich
    Team FervorCraft

  • Das ist ja der Knackpunkt. Woher nimmt derjenige, der das Mapping kritisiert, das Wissen, dass seine Vorstellung vom Mappen besser ist als die des Kritisierten? Klar kannst du (meistens) erklären, warum dir das eine besser gefällt als das andere, aber das muss ja nicht jeder so sehen. Du kannst zwar sagen, dass dir eine Map mit Schmetterlingen und Lichtstrahlen besser gefällt als ohne, aber du kannst nicht von anderen verlangen, dass sie so mappen. Eine Map ohne Schmetterlinge und Lichtstrahlen ist auch nicht schlecht.


    Mir hat es jedenfalls nicht geschadet, auch mal auf Leute zu hören, die sich ein paar Minuten länger mit den Themen, die ich umsetzen wollte, beschäftigt hatten, als ich selbst.

    Du hast also für dich entschieden, dass die Meinung dieser Leute mehr Gewicht hat als deine eigene. Das ist in Ordnung, aber das ist nur begrenzt übertragbar. Andere Menschen haben andere Ansichten, die auch funktionieren. Ich denke nicht, dass man in der Kunst objektiv beurteilen kann, wer es am besten weiß. Jeder Maßstab könnte infrage gestellt werden. Der Erfolg würde natürlich nahe liegen und du ahnst vielleicht, was ich jetzt wieder sage: Dann müsste Marlex uns allen Lehrstunden in der Spielentwicklung und im Schreiben von Geschichten geben. ;-)


    Ja, Kunst ist ein vages und sehr subjektives Feld, aber mMn sollte man sich nicht zu sehr verschließen und immer offen für neue Perspektiven sein. Manchmal ist die eigene Vision halt auch nicht das Non-Plus-Ultra.

    Das muss sie aber auch nicht sein. Es reicht ja, wenn das Spiel genügend Spielern Spaß macht. Problematisch ist es nur, wenn die eigene Vorstellung so gut wie niemandem gefällt. Das passiert aber nur selten. Davon mal abgesehen weiß niemand, wie sehr sich ein anderer mit bestimmten Themen auseinandersetzt. Das kann man ja nicht davon ableiten, dass jemand ein Spiel anders umsetzt als man selbst oder dass es einem nicht gefällt.