Expertenwissen

  • In diesem Thread möchte ich darlegen, warum ein Argument, das auf Fachkenntnissen (in diesem Fall vor allem in Bezug aufs Game Design) beruhen soll, meiner Meinung nach nicht immer stichhaltig ist.


    Es kommt immer mal wieder davor, dass jemand in Diskussionen über die Spielentwicklung oder in Kritiken (;-)) mal mehr, mal weniger offen Folgendes behauptet: "Meine Ansicht ist richtig und deine ist falsch, weil ich im Gegensatz zu dir Ahnung von der Materie habe". Es gibt mehrere Gründe, skeptisch zu sein:


    - Wir wissen nicht, ob die Person Fachkenntnisse hat.

    - Wir wissen nicht, ob die Person die Fachkenntnisse richtig anwendet.

    - Wir wissen nicht, ob die Fachkenntnisse unsere Position tatsächlich ausschließen.


    Es ist schwierig zu beweisen, dass Fachkenntnisse da sind, aber es ist recht einfach, den Eindruck zu erwecken. Ein redegewandter Mensch muss nicht viel mehr tun, als einen oberflächlichen Artikel über ein Thema zu lesen, um denen, die sich mit dem Thema nicht auskennen, einzureden, sie hätten einen Experten vor sich. Wobei ich nicht sagen will, dass immer ein Vorsatz dahinter stecken muss, vermutlich ist es sogar so, dass die Leute meistens selbst glauben, dass sie sich mit einem Thema gut auskennen. Natürlich gibt es wirklich Leute, die beurteilen können, ob andere Fachkenntnisse haben, nämlich die, die sie tatsächlich besitzen.


    Wenn wir über Makerspiele diskutieren, sprechen wir vor allem über das Game Design und die Kunst des Erzählens. Die Wissenschaften, die dahinter stecken, unterscheiden sich natürlich ein Stück weit von den Naturwissenschaften mit ihren vergleichsweise verbindlichen Gesetzen. Es gibt Leitfäden und Empfehlungen, das eine ist erfolgversprechender als das andere, aber ein kategorisches "richtig" und "falsch" gibt es wohl nicht. Ich bin mir jedenfalls ziemlich sicher, dass so gut wie jedes Argument schnell fadenscheinig wird, wenn jemand erklären müsste, warum ein Gameplay-Aspekt, eine Figur, ein Dialog oder eine Inszenierung kategorisch schlecht ist. Ich glaube nicht, dass sich die Wissenschaft so sehr mit dieser Frage befasst, sie belehrt nicht, sondern sie analysiert, ordnet ein und leitet an. Der Laie aber schnappt irgendwo Fachbegriffe auf, liest mal, wie jemand sich mit dem Thema auseinandersetzt (und selbst vielleicht nur ein Laie ist) und verknüpft alles mit den eigenen Vorlieben. Dann formuliert er Regeln, an die sich ein Werk halten muss, damit er unterhalten wird, und das ist an sich ja auch in Ordnung. Problematisch wird es, wenn der Laie glaubt, er würde sich wissenschaftlich mit dem Spiel auseinandersetzen, für andere Menschen sprechen und dass alle abweichenden Meinungen falsch wären. Jemand, der das macht, unterliegt einem Irrtum und unterschätzt mindestens die Komplexität der Kunst.

  • Ich finde eigentlich alles richtig, was du sagst, nur vermisse ich die andere Hälfte. Nur weil es Hochstapler gibt, muss man keinen Generalverdacht gegen jedwede Expertise hegen. Nur weil es schwierig ist, belastbare Kriterien des guten Spiels zu entwickeln, muss man deswegen nicht das Nachdenken darüber einstellen. Schon klar, nichts davon behauptest du - aber du schreibst ausschließlich abwehrend und verneinend. Ich versuche mal einen Startschuss für eine Diskussion über empfehlenswerte Spielgestaltungen, die einen Zugang öffnet, anstatt das Thema von vornherein misstrauisch zu beäugen.


    Kann man die Qualität eines künstlerischen Werks verbindlich messen? Nö. Man vermisst allenfalls seine persönlichen Maßstäbe, die man anlegt. Anders sieht es aus, wenn man den Fragefokus verschiebt:

    Kann man Popularität messen? Schon eher. Zuschauerzahlen, Downloadmenge, emporgereckte Daumen oder die orkanartigen Ausmaße des Jubels sind alles empirisch fassbare Indikatoren für den Grad des Publikumsinteresses. Wenn man nicht auf den Abweg gerät, dass die Menge immer Recht habe, kann man damit arbeiten.


    Ein Beispiel: Ein Fantasyrollenspiel ist im Durchschnitt beliebter als andere Szenarien. Ein Konflikt weckt bei Spielern häufiger Interesse als durchgehende Harmonie. Sind das einfach so voraussetzungslos vorhandene Umstände? Erhielte man ein gänzlich anderes Ergebnis, wenn man die Welt neu würfelte? Oder erfahren wir, wenn wir uns mit Neigung den Vorlieben unserer Mitmenschen widmen, anstatt über allzu Populäres leichtfertig die Nase zu rümpfen, nicht auch etwas über das Menschliche, das über den Zeitgeschmack eines Sommers hinaus Gültigkeit behält?

    Selbst wenn diese beispielhaft genannten Vorlieben nur scheinbar fest seien und sich im Laufe zweier oder dreier Generationen wiederum wandelten, wären sie immer noch brauchbare Anknüpfungspunkte um eine wichtige Frage auf relevante Weise beantworten zu können: Interessiert einen wahrnehmbaren Teil der Menschen meiner Zeit eigentlich das Spiel, das ich grade jetzt entwickle? Auf die Weise kann man selbst im Reich des Geschmacks substanziellen Grund unter die Füße bekommen und treibt nicht nur in einem vagen Relativismus umher.

  • "Meine Ansicht ist richtig und deine ist falsch, weil ich im Gegensatz zu dir Ahnung von der Materie habe".

    ein echter experte kann jede derartige Äußerung auch begründen und belegen.

    das problem sind die Leute, die versuchen sich hinter einer solchen schutzbehauptung zu verstecken, eben weil sie ihre aussage nicht begründen können.


    und diesen Unterschied merkt man normalerweise nach kurzer zeit, wenn derjenige sich intensiver in einem forum aufhält. Weil die Gründe werden abgefragt, sobald aussagen suspect sind und früher oder später zumindest umrissen.

  • real Troll

    Den Verdacht würde ich erst dann hegen, wenn jemand mich an seiner Integrität zweifeln lässt.


    Ich bin auch der Ansicht, dass der objektivste Maßstab, um Unterhaltungsmedien zu bewerten, ihr Erfolg bei der angepeilten Zielgruppe ist. Schließlich ist die Unterhaltung ihr oberstes Ziel. Und natürlich gibt es Mittel und Wege, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, erfolgreich zu sein. Die ganze Spiel- und Filmwissenschaft (die Szenen und Dialoge von Spielen sind mMn denen aus Filmen sehr nahe) will ich nicht infrage stellen. Allerdings gibt sich die Wissenschaft eben auch lange nicht so dogmatisch wie manche, die meinen, in ihrem Namen zu sprechen.


    Eigentlich gefällt mir die positive Variante dieses Themas auch besser. Ich würde lieber darüber sprechen, wie ein Makerspiel für die Spieler noch interessanter gestaltet werden könnte. Welche Schwerpunkte sollte eine Geschichte haben? Was für Figuren sind besonders beliebt? Wie setzt man gekonnt in Szene? Könnten die Spielmechanik oder das Kampfsystem noch besser sein? Dass ich stattdessen die negative Variante anspreche, liegt vor allem daran, dass man sich über die eher ärgert. ;-)


    Ich hätte jedenfalls nichts dagegen, wenn wir hier über erfreulichere Dinge sprechen würden.

  • Zitat



    Es kommt immer mal wieder davor, dass jemand in Diskussionen über die Spielentwicklung oder in Kritiken (;-)) mal mehr, mal weniger offen Folgendes behauptet: "Meine Ansicht ist richtig und deine ist falsch, weil ich im Gegensatz zu dir Ahnung von der Materie habe". Es gibt mehrere Gründe, skeptisch zu sein:

    Man muss grundsätzlich immer vorsichtig mit solchen Anschuldigungen sein und ggf. nochmal mit Distanz analysieren, ob solche Behauptungen wirklich im Raum stehen. Meistens interpretiert man da unbewusst mehr rein, als vielleicht für das Diskussionsklima gesund wäre. Wichtiger in dem Kontext, dass eine aufgeklärte Person mit einer anderen aufgeklärten Person spricht ist in meinen Augen aber, dass zwei richtige Meinungen nebeneinander existieren, sich voneinander unterscheiden, und dennoch beide legitim sein können. Man muss nicht in allem übereinstimmen, um sich einigen zu können, und es geht nicht darum, dass einer gewinnt oder die eine richtige Ansicht gefunden wird. Menschen haben verschiedene Prioritäten und Maßstäbe, und so lange diese offen dargelegt und erklärt werden, sollte es jemandem mit anderen Ansichten zumindest möglich sein, diese zu verstehen und nachzuvollziehen.


    Zitat



    - Wir wissen nicht, ob die Person Fachkenntnisse hat.

    - Wir wissen nicht, ob die Person die Fachkenntnisse richtig anwendet.

    - Wir wissen nicht, ob die Fachkenntnisse unsere Position tatsächlich ausschließen.

    All das sollte sich aus dem Dialog ja ergeben, auch wenn wir nicht mit absoluter Gewissheit sagen können, ob diese Punkte gegeben sind, wenn wir nicht selbst Experten sind(Oder es behaupten.)

    Ich bemerke aber, dass du hier möglicherweise nicht zwischen Fachexpertise und Erfahrung differenzierst.


    Fachexpertise baut auf festen Maßstäben auf und geht mit einer erlangten Kompetenz einher, die schwer zu bestreiten ist und sich meist auch der Objektivität annähert.


    Erfahrung hingegen ist erst mal einfach nur (Um beim Konsum zu bleiben) die Zeit und Anzahl von Spielen, Filmen oder Büchern, die ich aufgewendet habe. Der Wert und die Kompetenz eines Reviewers setzt sich zu großen Teilen daraus zusammen, dass er viele Filme gesehen, Spiele gespielt oder Starbucks-Fillialen getestet hat. Dazu gehört keine Expertise oder eine sonderliche Intelligenz, das hilft nur beim reviewen. Wenn ein solch 'Erfahrener' im Gegensatz zu mir also bereits tausende Filme gesehen oder tausende Spiele gespielt und sich mit diesen beschäftigt hat, traue ich ihm zu, eine gewisse Erfahrung zu besitzen und sich auszukennen. Sein Urteil hat für mich ein gewisses Gewicht. Ich finde es bringt wenig, jemandem diese Erfahrung abzusprechen, weil zum Erlangen keine besondere Leistung vonnöten ist und man - wie schon gesagt - schnell merken wird, ob die Erfahrung tatsächlich vorhanden ist.


    War der Reviewer zusätzlich noch einige Jahre selbst handwerklich aktiv (Ob nun im Film, als Spieleentwickler oder was auch immer) kommen wir zur Expertise, wie etwa Satoshi Kon(rip) oder Hayao Miyazaki, die oft ausgesagt haben, es wären ihnen buchstäblich nicht mehr möglich, Anime zu sehen, ohne jedes einzelne Bestandteil und Element während dem Schauen außeinanderzunehmen. Das sind dann Erfahrung und Expertise, aber diese Dinge müssen sich nicht mischen und zum Reviewen von RPG-Makerspielen z.b. gehört keine Expertise, da reicht Erfahruhng, also die Anzahl von Spielen, die man gespielt hat. Im besten Fall bringt man noch etwas Expertise mit (Hintergrundwissen wie der Maker funktioniert bsp.)


    Zitat

    Natürlich gibt es wirklich Leute, die beurteilen können, ob andere Fachkenntnisse haben, nämlich die, die sie tatsächlich besitzen.


    Wer besitzt Fachkenntnisse? In Segmenten wie Filmen, Anime oder Videospielen ist es einfach zu sagen 'Die Macher', aber ist es fair, allen Anderen die Expertise abzusprechen? Spielern, Filmveteranen, Reviewern, Journalisten? Hätten dann in der Makerszene auch nur die Entwickler Expertise? Ich glaube im Reviewen von Popkultur geht es nicht um Fachkenntnisse, und schon gar nicht im Makersegment.



    Zitat

    Ich bin mir jedenfalls ziemlich sicher, dass so gut wie jedes Argument schnell fadenscheinig wird, wenn jemand erklären müsste, warum ein Gameplay-Aspekt, eine Figur, ein Dialog oder eine Inszenierung kategorisch schlecht ist.

    Der Laie aber schnappt irgendwo Fachbegriffe auf, liest mal, wie jemand sich mit dem Thema auseinandersetzt (und selbst vielleicht nur ein Laie ist) und verknüpft alles mit den eigenen Vorlieben.


    Dann formuliert er Regeln, an die sich ein Werk halten muss, damit er unterhalten wird, und das ist an sich ja auch in Ordnung. Problematisch wird es, wenn der Laie glaubt, er würde sich wissenschaftlich mit dem Spiel auseinandersetzen, für andere Menschen sprechen und dass alle abweichenden Meinungen falsch wären. Jemand, der das macht, unterliegt einem Irrtum und unterschätzt mindestens die Komplexität der Kunst.

    Wenn viele Laien eine Leidenschaft für etwas entwickeln formt sich daraus eine Community, die schließlich Regeln und Elemente dessen, was sie konsummieren, formuliert. Daraus entstehen dann Plattformen wie TVTropes.

    Diese Regeln, Gesetze und Elemente, vielleicht auch Tropes, sind für niemanden bindend und das hat auch nie jemand irgendwo behauptet. Sie sind ein Indikator für die mögliche Qualität einzelner Aspekte eines Spiels oder Films, und so ist es als Reviewer natürlich wichtig, diese Regeln ein Stück weit zu kennen und anzuwenden.


    Beispiel: Besteht ein Fantasyrollenspiel in seinem Hauptcast ausschließlich aus 8 althergebrachten Stereotypen, die in ihren Verhaltensmustern so festgefahren sind, dass wir das so und besser schon hundertmal gesehen haben, ist die Wahrscheinlichkeit enorm, dass das Writing und die Charaktere des Spieles weniger hochwertig und unterhaltend sind als in dem Rollenspiel mit besonderem Setting und neuartigen Charakteren. Es sei denn, man mag diese Stereotypen, aber das hat Grenzen und die meisten Leute tun es nicht.


    Gäbe es keine Regeln, Tropes, Empfehlungen, Klischees, Instrumente und Richtwerte für die Popkultur, könnte man sich nach nichts richten. Es wäe nicht möglich, Reviews zu verfassen, die über 'Hat mir persönlich gefallen' hinausgehen. Aber nochmal, Person 1 kann eine hohe Priorität auf diese Regeln legegen während sie Person 2 am Allerwertesten vorbeigehen, und das ist okay, und beide können die Position des Anderen respektieren.


    Kaum jemand geht wissenschaftlich an popkulturelle Medien heran, gerade im Review-Segment, weil das auch sehr schwer ist und dann schnell extrem theoretisch wird. Das behauptet glaube ich aber auch kaum jemand, sondern es werden - so meine Erfahrung mit Filmen, Serien, Büchern, Spielen und Pizzabars - Erfahrung und die jeweiligen Maßstäbe zu Rate gezogen, auf die sich möglichst viele Menschen einigen konnten.


    Zu sagen jede andere Meinung wäre falsch und es gäbe nur einen richtigen Weg ist genau so engstirnig wie die Existenz von Mediums-Regeln zu leugnen.


    Zitat

    ein echter experte kann jede derartige Äußerung auch begründen und belegen.

    das problem sind die Leute, die versuchen sich hinter einer solchen schutzbehauptung zu verstecken, eben weil sie ihre aussage nicht begründen können.


    und diesen Unterschied merkt man normalerweise nach kurzer zeit, wenn derjenige sich intensiver in einem forum aufhält. Weil die Gründe werden abgefragt, sobald aussagen suspect sind und früher oder später zumindest umrissen.

    Exakt. Wer sich als Experte ausgibt, muss auch liefern, und wer sich als Erfahrener ausgibt, der muss auch diese Erfahrung irgendwo zeigen. Einfach Behaupten und dann beim Nachfragen neckisch den Zeigefinger wedeln und 'Saaaag ich aber niiicht' zu grisen funktioniert noch in der Grundstufe, aber nicht in der Erwachsenenwelt. Meistens.

  • Ich versuche mal einen Startschuss für eine Diskussion über empfehlenswerte Spielgestaltungen, die einen Zugang öffnet, anstatt das Thema von vornherein misstrauisch zu beäugen.

    Speziell bei dir würde mich echt interessieren, wie du Entscheidungen für deine Spielgestaltung triffst. Gehst du nach dem, was dir persönlich am meisten Spaß macht, und setzt voraus, dass es anderen Spieler auch so gut gefällt wie dir? Analysierst du AAA-Spiele und schaust, welche Art Gameplay beim Publikum punktet? Liest du dir Wissen über Game Design an und setzt das neue Knowhow direkt in deinen Projekten um? Vielleicht etwas von allem? Oder nichts von alledem und du gehst doch ganz anders vor? Erzähl gern mal ein bisschen aus deinem Alltag als Dev. Deine Spiele treffen einfach immer zu 100 % ins Schwarze und das kann unmöglich bloß Zufall sein. xD Da steckt eine Idee dahinter (bzw. Expertenwissen, um den Bogen zum Thread zu schlagen ^^) und von uns allen kriegst nur du das auf diesem hohen Level hin. Ich weiß nur absolut nicht, wie du das machst. xD Wär interessant, das von dir zu lernen. Verrate uns das Geheimnis des realen Trolls. 8)

  • Yoraiko

    Ich spreche aber gerade über die Menschen, die andere Meinungen nicht akzeptieren und ihr Ego auf unfreundliche Weise zur Schau stellen.


    Zitat

    Fachexpertise baut auf festen Maßstäben auf und geht mit einer erlangten Kompetenz einher, die schwer zu bestreiten ist und sich meist auch der Objektivität annähert.


    Würdest du also sagen, dass ein Sanitärtechniker, der schon seit Jahren im Geschäft ist, diese Expertise besitzt? Ich habe schon öfters erlebt, dass ein Sanitärtechniker die Arbeit seiner Mittechniker infrage gestellt hat. Offenbar kann man Probleme unterschiedlich angehen und es ist manchmal umstritten, welcher der richtige Weg ist. Wenn es schon hier keine Objektivität gibt, wie könnte es sie in der Kunst geben.


    Welche Auswirkung hat Erfahrung auf eine Meinung? Ich spiele seit über 30 Jahren Videospiele und Filme schaue ich noch viel länger, aber die einzige Konsequenz daraus ist, dass ich ein paar mehr Spiele und Filme kenne als andere. Erfahrung mit dem Medium ist bei einem Review ein ziemlich unerheblicher Faktor. Entscheidend ist, wie gut ich die Person einschätzen kann. Bei guten Bekannten weiß ich ungefähr, warum sie etwas mögen oder nicht mögen, wobei ich selbst Bekannte manchmal nicht verstehe. Kenne ich die Person nicht, kommt es vor allem darauf an, wie sachlich und schlüssig das Review ist. Und ob die Person sympathisch ist. Dann les ich das Review gerne.


    Zitat

    Wer besitzt Fachkenntnisse? In Segmenten wie Filmen, Anime oder Videospielen ist es einfach zu sagen 'Die Macher', aber ist es fair, allen Anderen die Expertise abzusprechen?

    Die Frage, ob jemand Fachkenntnisse hat, stellt sich erst, wenn jemand behauptet, sie zu haben, und sie wie Schwert und Schild gegen andere Meinungen einsetzt.


    Zitat

    Wenn viele Laien eine Leidenschaft für etwas entwickeln formt sich daraus eine Community, die schließlich Regeln und Elemente dessen, was sie konsummieren, formuliert.

    Als Negativbeispiel fällt mir sofort die Anime-Szene ein, deren Fachbegriffe entweder missverstanden, diskriminierend oder albern sind. ;-) Und so wie es oft nicht notwendig ist, neue Schlagwörter zu erfinden (ich bin grundsätzlich kein großer Freund von Schlagwörtern), so ist es auch nicht notwendig, sich neue Regeln auszudenken, wenn es keinen guten Grund dafür gibt.


    TVTropes dient der Unterhaltung. Manch einem macht es Spaß, Tropen zu benennen oder neue Tropen zu erfinden. Aber an sich ist es egal, ob etwas eine Trope ist oder nicht. Wenn jemand sich darüber aufregt, dass der Held am Anfang des Spiels in seinem Bett aufwacht und es Trope oder Klischee nennt (obwohl es vielleicht nur eine Fehleinschätzung ist, dass überhaupt so viele Spiele auf diese Weise anfangen), dann würde ich sagen: Das ist doch eine so unwichtige Kleinigkeit. Davon hängt nichts ab, es sei denn, das ganze Spiel baut auf dieser Stelle auf und das ist eher unwahrscheinlich. Natürlich kann man sich damit auseinandersetzen, aus welchen Grund bestimmte Muster eingebaut werden, wie sie auf die Spieler wirken und wie sie sich nutzen lassen. Sie eignen sich aber nicht, um ein Werk qualitativ zu bewerten, vor allem nicht einzeln für sich. Ein Spiel oder eine Geschichte sind mehr als die Summe aller Teile.


    Zitat

    Besteht ein Fantasyrollenspiel in seinem Hauptcast ausschließlich aus 8 althergebrachten Stereotypen, die in ihren Verhaltensmustern so festgefahren sind, dass wir das so und besser schon hundertmal gesehen haben, ist die Wahrscheinlichkeit enorm, dass das Writing und die Charaktere des Spieles weniger hochwertig und unterhaltend sind als in dem Rollenspiel mit besonderem Setting und neuartigen Charakteren.

    Es gibt viele sehr populäre Geschichten mit stereotypen Figuren. Man selbst kann mögen, was man will, aber stereotype Figuren kategorisch als "Fehler" abzustempeln, ginge an den Menschen vorbei. Zumal sich die Frage stellt, wer bestimmt, ab wann Figuren (zu) stereotyp sind. Und wer sagt, das "Writing" hochwertig sein muss? Was bedeutet das überhaupt? Seifenopern und kitschige Dramen unterhalten etwas übertrieben die Hälfte der Menschheit, aber es wird ihnen nachgesagt, keine Hochliteratur zu sein. Sind sie nun gut oder schlecht geschrieben?

  • Speziell bei dir würde mich echt interessieren, wie du Entscheidungen für deine Spielgestaltung triffst.

    Über eine perfekte Formel verfüge ich nicht und falls sie jemand besäße, würde dann nicht ihr Einsatz zu einer kompletten Unterschiedslosigkeit der Spiele führen? Manche meiner Spiele sind lang, andere kurz. Manche linear, andere offen. Manche stellen die Handlung in den Vordergrund, andere die Spielmechanik. Das sind ja bereits tiefgreifende Unterschiede in der strukturellen Anlage.

    Trotzdem habe ich schon einen eigenen Stil, teils fußt der in meiner Persönlichkeit, teils geht er aber auch auf bewusste Gestaltungsentscheidungen zurück.


    1. Ich scheue mich nicht, Spieler liegenzulassen. Theoretisch erreiche ich erst einmal jeden einzelnen Spieler auf der Welt, bevor ich mein Projekt spezifiziere. Mit jeder Entscheidung für einen Bestandteil verliere ich Publikum. Man könnte nun so unspezifisch wie möglich bleiben wollen, um den Verlust zu begrenzen, aber der Preis wäre ein Mangel an Eigenart. Ich entscheide mich dabei gar nicht für den "objektiv besten" Weg, sondern einfach für meine Präferenz.

    Beispiel: Wenn ich humoristisch erzähle, bin ich mir über das gefrierende Interesse vieler Spieler völlig im Klaren. "Dark Souls" ist nicht nur wegen seines Schwierigkeitsgrads erwähnenswert, es erschafft auch eine Welt der Schwermut mit durchgehender Melancholie. Wer nach so einem Spielerlebnis sucht, geht dem Humor ganz zur Recht aus dem Weg. Andere wiederum möchten puren Pathos, echten edlen Ritterwillen. Meine Helden, die immer eine gehörige Portion Imperfektion auszeichnet, erscheinen solchen Wünschen als weniger wahrhaftig. Eitelkeitsbeflügelte Streite, wessen Geschmack hierbei der überlegenere sei, finde ich schon deshalb stumpf, weil sie die Analyse der Motive vernebeln, statt zu erhellen.


    2. Ich vertraue meiner eigenen Durchschnittlichkeit. Wenn ich meinen popkulturellen Konsum betrachte, wenn ich gucke, welche Werbeplakate meinen Blick unwillkürlich anziehen, finde ich mich selten in der Gesellschaft der Marginalisierten wieder. Außer bei meiner Vorliebe für den Omega-Mann, aber für diese Erkenntnis ist Deutschland wohl einfach noch nicht reif. So kann ich meinem Geschmack vertrauen und darf recht unverstellt meine eigenen Vorlieben beackern, wenn ich Spielzuschnitt, Szenario, Thema, Helden wähle.

    Den Preis zahlt natürlich meine Eitelkeit. Meinen Glauben an meine ach so einzigartige Persönlichkeit musste ich ertränken. Man ist nicht kultureller Grenzgänger und guckt trotzdem "Game of Thrones".


    3. Ich beschäftige mich mit Designtheorien. Dabei bin ich gar nicht auf den heiligen Gral der Erkenntnis gestoßen, vielmehr halfen mir die strukturierten Gedanken Anderer, auch und gerade im Widerspruch, meine eigenen Vorstellungen zu präzisieren. Dieser Punkt ist uferlos, daher bleibe ich bei nur einem Beispiel:

    Die Ludologie versteht Spiele als Interaktionsgeflecht. Die vom Spiel angebotenen Möglichkeiten sollen zu folgenreichen Resultatsabwägungen, mithin zu interessanten Entscheidungen führen. Ein gelungenes Spiel im Sinne dieser Theorie ist ein leistungsstarker Situationengenerator, dessen Gestaltung ihm erlaubt, aus den festgelegten Grundregeln ein dichtes, abwechslungsreiches Entscheidungsfeld zu erzeugen, in dem der Spieler beziehungsreich navigiert. Der Spielfluss ist der Takt der Entscheidungsrhythmen, alles erwächst aus dem Basissatz der Spielregeln. Gute Strategietitel und Plattformer haben häufig diesen theoretischen Unterbau.

    Ich breche diesen Rhythmus bewusst. Wenn ich den Spieler überraschen möchte, unterlaufe ich seine Vorahnungen und präsentiere ihm statt der rollenspielerischen Wellenbewegung aus Kampf-Beute-Steigerung aus heiterem Himmel ein Minispiel mit ganz anderer Mechanik. Ich baue kein generelles Spielsystem, sondern fertige vielfach die Situationen von Hand an. So erlangen beispielsweise meine Dungeons den Eindruck einer Wundertüte. Man weiß nicht so recht, was man erhält, wenn man reingreift. Ich nenne das Abwechslung und vergnüglichen Zeitvertreib, im ludologischen Sinne betreibe ich hingegen schlechtes Gamedesign. Macht nichts. In der Auseinandersetzung mit der Ludologie habe ich viel über spielmechanische Rhythmen gelernt und bin dadurch besser darin geworden, gezielte Kontrapunkte zu setzen. Auf die Art kann ich Theorien verwerten, obgleich sie gar nicht in meine konzeptionelle Richtung zielen.

  • ...

    Ich habe mir überlegt, dass ich den Gesprächszweig, der gerade mit Real Troll entsteht und sich eher um Spiele als Reviews dreht, viel interessanter und 'positiver' finde als unseren, darum verzichte ich jetzt an der Stelle mal darauf, ein Zitierbattle zu starten, vor allem weil ich dem Großteil deines Posts auch zustimme.


    Nur dies eine noch: Es wird immer unterschiedliche Meinungen und Prioritäten geben, und das ist gut so. Ein Reviewer macht sich nicht unglaubwürdig, wenn er über diese hinweg geht und versucht, allgemeine Maßstäbe zu formulieren. Diese aber basieren im Kern auf seiner Meinung und er hat in dem Moment verloren, indem er sie als einzigmögliche Wahrheit betrachtet, da stimme ich dir vollstens zu. Doch bis er das tut sei ihm der Glaube gestattet, für viele zu sprechen - Ob das der Fall ist, sollen die Vielen bewerten.


    Bis dahin!


    - Y

  • real Troll

    Ich denke, dass wir damit am besten fahren, wenn wir unser Spiel so bauen, wie uns ein Spiel selbst gefallen würde. Die einzige Hürde, die dann einem unterhaltsamen Spiel im Weg steht, ist, dass uns vielleicht gar nicht immer bewusst ist, was genau wir mögen und worauf es ankommt (und natürlich müssen wir es auch reproduzieren können). Wichtige Fragen sind zum Beispiel: Was macht für mich den Reiz eines bestimmten Szenarios aus? Welche Archetypen/Eigenarten sind mir sympathisch? Welche Erzählweise unterhält mich besonders gut? Welches Gameplay macht mir Spaß? Die Chance ist groß, dass die potenzielle Zielgruppe es ähnlich sieht.


    Aber auch die Spieler sollten im Hinterkopf haben, dass Genres (über deren Aussagekraft sowieso gestritten werden kann) und Spielkonzepte heutzutage sehr in die Breite gehen, was dann wieder zum Thema des Threads passt. Wer eine Komödie schaut, sollte kein Drama erwarten, sag ich immer. Solange nur grob umrissen wird, was das Spiel ist, sollte niemand dem Entwickler vorhalten, den Geschmack nicht getroffen zu haben (es sei denn, er liegt völlig daneben). Verspricht der Entwickler zum Beispiel schwere Gegner, so muss er sich daran messen lassen, verliert er kein Wort über die Schwierigkeit, werden die Gegner vermutlich auch nicht besonders schwer sein und dann wären höchstens Gegner, die deutlich über/unter moderat liegen ein Grund zum Klagen.


    Zu Punkt 2:

    Würdest du denn sagen, dass ein Entwickler sich verstellen oder überwinden muss, um Figuren oder allgemein Spielinhalte einzubauen, die von den eigenen Vorlieben abweichen? Du hast an anderer Stelle mal gesagt, dass ein Interesse da sein muss und das seh ich auch so, aber das schließt sich ja nicht unbedingt gegenseitig aus. Man kann auch etwas interessant finden, obwohl man normalerweise etwas anderes bevorzugt.


    Zu Punkt 3:

    Zitat

    Ich nenne das Abwechslung und vergnüglichen Zeitvertreib, im ludologischen Sinne betreibe ich hingegen schlechtes Gamedesign.


    Worauf fußt die Meinung der Ludologie denn? Wenn ein den Spielfluss durchbrechendes Spielelement tatsächlich schlecht designed wäre, müsste es auf den Spielspaß ja einen spürbar negativen Einfluss haben. Diesen Standpunkt les ich nicht zum ersten Mal und ich meine, dass damals deine Spiele sogar als Gegenbeispiel genannt wurden und jemand entgegnete dann, dass bei denen die Abwechslung an sich das Spielkonzept sei. Die Frage ist jedenfalls interessant: Vergrößert ein Spiel im Spiel den Spielspaß, wird es mit einem Achselzucken quittiert oder als lästige Pflicht angesehen?

  • Die Frage ist doch wer definiert "Experte"?


    Wenn wir mal davon ausgehen, dass jeder Kritiker oder Tester bei Fachzeitschriften "Experte" ist, wieso kommen dann für manche Spiele dermaßen unterschiedliche Wertungen zusammen?


    Nehmen wir mal als Beispiel Dragon Age Inquisition:


    Gamestar: 85%

    4Players: 59%

    PCGames 9/10


    Wie kommt da zustande? Klar, man könnte sagen, die Wertung wurde gekauft. Aber! Unter Spielern ist das Spiel ja genauso kontrovers. Es wird geliebt oder gehasst. Dazwischen gibt's nichts.


    Unterhaltungsmedien wie Musik, Filme, Spiele sind IMMER subjektiv. Geschmackssache. Das macht den Beruf des Testers ja so schwierig. Du wirst es nie allen recht machen. Alles was man tun kann, ist immer mit denselben Maßstäben zu messen. Indem man nach denselben Kriterien objektiv bewertet und dann sein subjektives Fazit zieht. Wobei da auch das Genre beachtet werden muss. Ein RTS wird anders bewertet als ein RPG. Ein RPG anders als ein FPS. Usw.


    Was mir jedoch an Indieentwicklern gefällt ist, dass, in der Regel, eben nicht nach aktuellen Umfragen oder Studien entwickelt wird. Sondern danach, was dem Entwickler gefällt, weswegen Indiespiele in der Regel auch einzigartiger sind. Und kein Einheitsbrei ala Ubisoft-Formel.

  • Zu Punkt 2:

    Würdest du denn sagen, dass ein Entwickler sich verstellen oder überwinden muss, um Figuren oder allgemein Spielinhalte einzubauen, die von den eigenen Vorlieben abweichen?

    Ich würde auf das aufbauen, was Boandlkramer dazu meinte und behaupten, unsere Spiele seien unverstellter, weil wir die Verhaltenszwänge der großen Entwickler bequem unterlaufen können. Weder sitzt uns ein Finanzierungsplan im Genick, der uns auf den kleinsten gemeinsamen Nenner des Massenmarkts disponiert, noch sind wir von den Jagdgemeinschaften in den sozialen Medien auf ihrer Suche nach dem nächsten 24-Stunden-Skandal erpressbar. Trotzdem finde ich deine Frage hochinteressant, weil ich sie auf zwei ganz verschiedene Arten beantworten kann:

    1. Unsere Spiele seien wahrhaftig und wir die unbeugsamen Streiter unserer Integrität. (Gut, ginge auch mit weniger Pathos, aber wozu sind wir denn hier im Internet?)

    2. Wie der Kleingärtner seine Parzelle verlassen wir nie unsere Wohlfühlzone.


    Sind unsere Spiele automatisch besser, nur weil sie ehrlicher gemeint sind? Offene Frage, ich weiß es nicht. Was ich erhalte, wenn ich meine eigene Interessen zu einem Spiel ausgestalte, habe ich nun schon mehrfach erfahren und bin nach wie vor sehr angetan von der Möglichkeit, die mir der RPG Maker verschafft, mich so umstandslos anderen Menschen mitzuteilen. Aber die Gegenprobe habe ich nie gemacht. Was wäre denn, falls ich weniger meines Selbsts in die Spiele gepackt und stattdessen mehr Fremdes, Ungewolltes, Verstelltes, Quotiertes zugelassen hätte? Ich kann das nur als Gedankenexperiment aufziehen und bloße Mutmaßungen darüber anstellen, ob darin die Preisgabe der Authentizität läge oder es dem zunächst unwilligen Entwickler wie dem bockigen Kind erginge, das zunächst kein neues Essen probieren möchte und erst durch die Erfahrung des Geschmackserlebnisses bekehrt würde.


    Aber wir sind ja in einem Forum. Hat sich mal jemand zu einem Helden, einem Szenario oder gar kompletten Spiel zwingen lassen und mag erzählen, wie es ausging?

  • 1. Unsere Spiele seien wahrhaftig und wir die unbeugsamen Streiter unserer Integrität. (Gut, ginge auch mit weniger Pathos, aber wozu sind wir denn hier im Internet?)

    2. Wie der Kleingärtner seine Parzelle verlassen wir nie unsere Wohlfühlzone.


    Ich finde 1 und 2 schließen sich da nicht aus. Wieso sollten wir unsere Wohlfühlzone denn verlassen, wenn wir mit unseren Spielen zufrieden sind, und die Leute die Spiele mögen? Klar, wir werden kein Millionenpublikum erreichen, in der Regel, aber das ist uns ja bewusst. Wobei deine Spielerzahl natürlich wesentlich höher ist als unsere, durch deinen Bekanntheitsgrad.


    Und solange unsere Spiele nicht kommerziell sind, haben wir uns ja, außer unseren eigenen Vorstellungen, auch niemandem zu beugen, was Dinge wie Releasedatum, Genre, und anderen Faktoren der Entwicklung angeht. Wir sind nur uns selbst gegenüber Rechenschaft schuldig.

  • real Troll

    Dem möchte ich zwei Fragen entgegenhalten:


    - Woran lässt sich festmachen, ob eine Entscheidung gegen den Willen der federführenden Designer getroffen wurde? Die Designer können die Entscheidung ja auch aus Überzeugung getroffen haben.

    - Sind Hobbyentwickler frei von Zwängen?


    Die großen Unternehmen wollen Geld verdienen und müssen darauf achten, was sich gut verkaufen lässt. Das schließt aber nicht aus, dass die Entwickler diese erfolgreichen Spielinhalte selbst gut finden. Ein Spiel besteht aus so vielen unterschiedlichen Komponenten, dass es eigentlich immer Raum für Kreativität und eine eigene Note gibt. Ich halte nichts von der Einstellung, dass kommerzielle Spiele seelenlose Fließbandprodukte sind. Auch die Hobbyspiele reproduzieren oft nur das, was deren Entwickler aus erfolgreichen Massenmarkt- oder Indiespielen kennen.


    In unserer Szene haben Entwickler und Spieler schon immer Einfluss auf den Entwicklungsprozess genommen. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass selbst bei uns Entwickler ihre Spiele schon mal gegen die eigene Überzeugung verändert haben. Auch wir wollen unsere Spieler ja erreichen.


    Boandlkramer

    Zitat

    Und solange unsere Spiele nicht kommerziell sind, haben wir uns ja, außer unseren eigenen Vorstellungen, auch niemandem zu beugen, was Dinge wie Releasedatum, Genre, und anderen Faktoren der Entwicklung angeht. Wir sind nur uns selbst gegenüber Rechenschaft schuldig.


    Das schließt aber nicht zwangsläufig aus, dass wir uns für Spielinhalte entscheiden können, die für uns persönlich nicht "die erste Wahl" sind. Ein konkretes Beispiel: Ich bin kein großer Freund von humanoiden realen Tieren (mit einigen Ausnahmen), aber es stört mich nicht, solche Figuren in meine Spiele einzubauen. Man kann das eine bevorzugen, aber das andere trotzdem interessant finden.

  • Über das Thema habe ich schon des Öfteren diskutiert, ich glaube sogar auch in unserem Podcast und mit anderen Maker-Kollegen. Vor allem habe ich mir dabei immer wieder die Frage gestellt, wer sich überhaupt als Experte bezeichnen darf/sollte. Also was definiert einen Experten? Ist das jemand, der bspw. Gamedesign studiert hat? Andere Spieleentwickler? Ich finde es immer schwierig, Kunst im Allgemeinen zu bewerten. Schon damals in der Schule. Was genau sind die Maßstäbe? Dasselbe gilt auf für Filme, Literatur oder andere Games. Dem einen gefällt es, dem anderen halt nicht. Bei Musik kann man zumindest sagen, wenn ein Sänger gewisse Töne nicht trifft, könnte man schon objektiv bewerten und sagen, die Person kann nicht singen. Bei vielen anderen Genres wird es finde ich schwierig, weil man dazu gewisse Richtlinie benötigen würde, aber in der Kunst generell halte ich solche Richtlinien für eher weniger gut, da jeder seinen eigenen Stil und seine eigenen Vorlieben hat. Es gibt sicherlich diese Richtlinien, aber wenn sich jeder daran halten und immer streng nach diesem Schema F arbeiten würde, würde dafür die Individualität verloren gehen. Generell finde ich, ist das ein schwieriges Thema, worüber man stundenlang diskutieren könnte und dabei auf kein eindeutiges Ergebnis kommen würde.
    Ich finde schon eher, dass man auf die Mehrheit hören sollte. Wobei unter der Mehrheit auch Leute sein können, die eine persönliche Abneigung gegen den Entwickler haben könnten, aber ich behaupte jetzt einfach mal, dass das die wenigsten sind. Man sollte einfach für sich selbst herausfinden, was man aus einer Kritik herausziehen kann, sollte dabei aber auch fair zu sich selbst und seinem Projekt sein und sich Fehler eingestehen. Und ich finde sich an der Mehrheit zu orientieren wäre dabei die beste Lösung.

    Möchte aber betonen, dass das nur meine persönliche Meinung zu dem Thema ist. ^^

  • Woran lässt sich festmachen, ob eine Entscheidung gegen den Willen der federführenden Designer getroffen wurde?

    Das kann nur der Entwickler selbst sagen und wenn Fragen der künstlerischen Unabhängigkeit betroffen sind, neigt ein gesunder Geist selbstverständlich zur Lüge. ;) Natürlich reagieren wir auf äußere Einflüsse, doch sobald die Frage aufkommt, ob man Inhalte auch gegen den eigenen Willen aufnähme, hat das den wenig reputablen Beiklang des innerlichen Verbiegens. Boandlkramer hat ja sehr schön ein verbreitetes Ideal des unabhängigen (sprich: unbeugsamen) Entwicklers beschrieben.

    Zwang passt nicht zu unserem Selbstbild. Ab wann fängt Zwang denn an?


    A) Man kreiert alles aus sich selbst heraus. Das wäre die vollkommene Autarkie, in meinen Augen eine Illusion.

    B) Man entdeckt in der Auseinandersetzung mit den Arbeiten Anderer interessante Aspekte und verwendet sie im eigenen Stil. Hier spreche ich von Inspiration.

    C) Man übernimmt diese Aspekte, ohne ihnen allerdings einen größeren eigenen Anteil beizufügen. Das nenne ich Beeinflussung.

    D) Man entdeckt das Interessante im früher Abgelehnten, vielleicht per Meditation, wohl eher durch hilfreiche Schübe von außen. Das möchte ich als Prozess der Entwicklung bezeichnen.

    E) Zwang liegt vor, wenn nicht nur die Anteile Anderer am eigenen Willensprozess immer größer werden, sondern wenn ich etwas ohne eigenes Einverständnis verfertige.


    Zwang genießt kein Prestige. Er verströmt den drögen Muff uninspirierter Auftragsarbeiten. Trotzdem könnte ein Lerneffekt im Zwang liegen, der dem der Inspiration in nichts nachstehen müsste. Ich hatte die Frage ja schon mal gestellt, ob ein Entwickler bereits Erfahrung mit einem erzwungenen Spielbestandteil gemacht hat. Nun weiß ich nicht, ob keine Antwort kam, weil ausnahmslos alle das Ideal praktizieren oder weil sich gegebenenfalls Betreffende gerade wegen des Ideals genieren, einen Einblick in ihre Erfahrungen zu geben.

    Die Entwickler der großen Spielindustrie werden jeden Tag auf zugewiesene Spielinhalte und -mechaniken verpflichtet, ohne dass ich deswegen den Eindruck hätte, alles, was sich kaufen ließe, sei seelenlose Monotonie. Im Gegenteil, viele der mit Anteilen von Zwang angefertigten Produkte machen mir großen Spaß, schon allein deshalb will ich den Zwang gar nicht prinzipiell verteufeln. Eventuell ist er sogar eine Quelle ganz eigener Kreativität, die wir womöglich leider unterschätzen, weil wir uns mit dem Pochen auf ein Ideal teilweise selbst im Weg stehen?

  • Zitat

    Zwang liegt vor, wenn nicht nur die Anteile Anderer am eigenen Willensprozess immer größer werden, sondern wenn ich etwas ohne eigenes Einverständnis verfertige.

    So seh ich das auch und es fällt mir schwer, mir vorzustellen, dass in der großen Spielindustrie so häufig signifikante Entscheidungen ohne Einverständnis der Verantwortlichen getroffen werden. Sicher wird es bei Detailfragen schon mal unterschiedliche Ansichten geben und nicht jede Idee wird berücksichtigt, aber da würde ich nicht per se von Zwang sprechen, sondern eher von einer Einigung. Entscheidend ist für mich, inwieweit die "Regie" des Spiels der Ansicht ist, dass das Endergebnis von anderen aufgezwungen wurde.


    Zitat

    Ich hatte die Frage ja schon mal gestellt, ob ein Entwickler bereits Erfahrung mit einem erzwungenen Spielbestandteil gemacht hat. Nun weiß ich nicht, ob keine Antwort kam, weil ausnahmslos alle das Ideal praktizieren oder weil sich gegebenenfalls Betreffende gerade wegen des Ideals genieren, einen Einblick in ihre Erfahrungen zu geben.

    Ich frage mich manchmal, ob alle Entwickler, die ihre Handlung oder das Gameplay aufgrund von Kritik auf den Kopf stellen, es immer tun, weil sie der Kritik zustimmen, oder ob es auch sein könnte, dass sie es tun, weil sie Angst vor der Reaktion der Kritiker haben, wenn sie es nicht täten.


    Aber wie dem auch sei, um deine Frage zu beantworten, müsste jeder sagen können, ob er eine Änderung aus vollster Überzeugung oder eben nur zähneknirschend vorgenommen hat. Vielleicht wissen wir das gar nicht so genau. Oder wir nehmen eine neutrale Position ein. Ich selbst hab meine Spiele aufgrund von Kritik schon öfters geändert. Ich fand die monierten Spielinhalte meistens in Ordnung, aber auch die Vorschläge waren es. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich mich verbiegen musste (es sei denn, ich hab es nur nie bemerkt). Das würde ich auch nicht tun. Aber ein Kompromiss ist in Ordnung. Es gibt ja meistens Spielraum, nicht nur sich völlig ausschließende Ansichten.